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Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!

Titel: Ich glaube, der Fliesenleger ist tot!
Autoren: J Karnick
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einen Taschenrechner. Er rattert einen Kurzvortrag herunter über Zinssätze und Dreisatz und Dezi malbrüche, Prozente und Faktoren, mit denen man Erträge multiplizieren müsse, dabei tippt er in Lichtgeschwindigkeit auf dem Taschenrechner herum. Dann verkündet er eine Summe: »Viel mehr würde ich nicht bieten!«
    Die Summe stimmt mich nachdenklich. Erstens: Sie liegt weit unter dem Preis, den unsere Vermieter uns als Verhandlungsbasis genannt haben. Zweitens: Ich habe nur eine sehr vage Ahnung, wie Onkel Rolf auf diese Summe gekommen ist. Mathe war noch nie meine Stärke, es hat eben seinen Grund, warum ich damals nicht Astrophysikerin geworden bin.
    »Aber«, Onkel Rolf hebt den Zeigefinger und legt eine Kunstpause ein, »das ist eben nur der objektive Wert. Wenn ein Käufer in das Haus, für das er sich interessiert, selbst einziehen will, dann zählt natürlich auch der emotionale Wert. Der emotionale Wert ist alles, was sich nicht rational begründen lässt: Der hübsche Apfelbaum im Garten. Die hübsche Nachbarin. Die Ehefrau kommt rein und verliebt sich in die Küche. Also dieser ganze subjektive Das-Haus-will-ich-und-kein-anderes-Kram.«
    So ist es, denke ich, es kommt im Leben eben nicht nur auf den objektiven Marktwert an. Ich versuche, mich zu erinnern, wann mein Mann zuletzt zu mir gesagt hat: »Dich will ich und keine andere!«
    »Wollt ihr dieses Haus und kein anderes?«, will Onkel Rolf wissen. Wollen wir dieses Haus und kein anderes?
    »Nee«, sagt mein Mann, »so kann man das nicht sagen, wir haben ja noch gar keine anderen Häuser besichtigt.« Ob mein Mann manchmal andere Frauen besichtigt?
    »Sehr gut«, sagt Onkel Rolf und schlägt zufrieden die Gabel in den Erdbeerkuchen, »je emotional unbeteiligter ihr seid, desto stärker eure Verhandlungsposition. Haut ein paar zehntausend auf den objektiven Wert und los.«
    Wir verhandeln nicht lange. Unsere Vermieter weisen unser Angebot entrüstet zurück und erklären die Verhandlung für beendet. Wir lernen: Nicht nur Immobilienkäufer, auch Immobilienverkäufer sind zu Emotionen fähig.
    Das zweite Haus, das wir kaufen wollen, ist das Haus von Frau Müller. Dass Frau Müller für ihr Haus einen Käufer sucht, wissen wir von Frau Müllers Nachbarn, deren Sohn mit unserem Sohn zusammen Fußball spielt. Frau Müller hat die Nachbarn gefragt, ob sie jemanden kennen, der ein Haus sucht. Die Nachbarn rufen an und sagen: »Ihr sucht doch ein Haus, oder? Unser Nachbarhaus wird verkauft. Ist alt, muss man ziemlich viel dran machen. Aber ohne Makler!«
    Die zwei Worte »ohne Makler« lösen in Menschen, die in einem überteuerten städtischen Ballungsraum eine Wohnung oder ein Haus zur Miete oder zum Kauf suchen, ungefähr die gleiche Reaktion aus, die der Anblick zweier nackter, praller Brüste bei einem Sechzehnjährigen hervorruft: blinde Wollust. Was für eine erregende Vorstellung, keine sechs Prozent Maklercourtage zahlen zu müssen! Erstens spart man so eine echte Masse Geld. Zweitens erspart man sich die Hassattacken, die einem Herz und Seele vergiften, wenn man darüber nachdenkt, wofür man dieses viele Geld bezahlen musste.
    Von einigen bestimmt existierenden, mir jedoch unbekannten Ausnahmen abgesehen funktioniert die Arbeit des Immobilienmaklers so: Er hält dem Immobilienverkäufer lästige Aufgaben vom Leib. Er macht in seinem Auftrag ein paar Fotos, formuliert eine schmeichelhafte bis schamlos geschönte Beschreibung des Immobilienobjekts, stellt sie mit zwei Mausklicks ins Internet, geht ans Telefon, wenn es klingelt, und nimmt Besichtigungstermine wahr. Dabei vertritt er stets die Interessen des Immobilienverkäufers, die zugleich die seinen sind, indem er einen möglichst hohen Kauf- oder Mietpreis zu erzielen versucht. Für all das lässt er sich von jemand Drittem bezahlen, für den er so gut wie nichts tut, außer ihm möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen – vom Immobilienkäufer.
    Die dem Courtagezahler gegenüber erbrachte Dienstleistung erschöpft sich meist darin, die Haustür auf- und zuzuschließen und manchmal einfache Fragen beantworten zu können: »Ja, ich glaube, das Haus hat eine Gasheizung.«
    Manchmal aber auch nicht.
    Wohnungsbesichtigung, Düsseldorf 1998.
    Ich: »Sagen Sie, das ist ja ein Altbau. Unter dem Linoleum hier, kann es sein, dass da vielleicht noch Holzdielen liegen?«
    Der Makler: »Keine Ahnung. Seh ich aus wie der Mann mit den Röntgenaugen?«
    Mein Mann gehört zu jener Spezies Männer, die –
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