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Ich, Gina Wild

Ich, Gina Wild

Titel: Ich, Gina Wild
Autoren: Michaela Schaffrath
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vegetiert.
    Ich konnte Omi nicht mehr sehen, weil ich so beschäftigt war. Ein Fehler, den ich zutiefst bereue. Nichts auf der Welt kann wichtiger sein als einem lieben Menschen noch mal ganz nahe zu sein, bevor er uns für immer verlässt.
    Eine Woche, bevor meine Omi gestorben ist, hatte ich so ein Gefühl. Ich sollte sie anrufen, dachte ich mir, und wir haben nett geplaudert. Ich habe sie zu uns nach Frankfurt eingeladen und sie meinte, wenn sie wieder auf den Beinen wäre, kommt sie uns gerne besuchen. Leider ist nichts mehr daraus geworden. Aber wenigstens gesprochen habe ich mit ihr noch.
    Es ist schön so verfolgt zu werden. Ich genieße das Interesse von Journalisten und Kameraleuten, denn ich weiß dann, dass ich interessant bin. Aber dieses Bedürfnis nach Bildern und Informationen hat auch seine Schattenseiten und kann gefährlich sein. Jeder Prominente kennt das, nur die wenigsten geben allerdings zu, dass sie aus freien Stücken den Schritt in die Öffentlichkeit gewählt haben.
    Zum ersten Mal in meiner Funktion als öffentliche Person war ich unsicher, ob ich mitspielen soll, als mich die Nachricht vom Tod meiner Omi ereilte. Meine Mutter rief mich an, als ich gerade bei einer Benefizveranstaltung in Frankfurt war. Es war ein Fußballspiel, Eintracht Frankfurt gegen Bayern München. In der Halbzeitpause wurde ein Elfmeterschiessen von Prominenten veranstaltet. Es gibt Messinstrumente, die die Geschwindigkeit eines Balles im Flug messen. Und wir haben um die Wette geschossen. Pro zehn Kilometerstunden gab es eine Prämie, die an das Frankfurter Clementine-Kinderhospital gespendet wurde. Dort habe ich früher gearbeitet. Es war also selbstverständlich, dass ich eingeladen war.
    Kurz nachdem ich in der VIP-Lounge eingetroffen war, also vor der Halbzeit, rief meine Mama an. Ich bin in Tränen ausgebrochen. Mein erster Wunsch war, sofort nach Hause zu fahren und mit meiner Trauer alleine zu sein. Rund um mich war eine Bombenstimmung, die Leute tranken und hatten Spaß. Und ich stand mittendrin und heulte.
    Axel und ich haben in unserer Trauer gar keinen klaren Gedanken fassen können. Axel telefonierte. Ein guter Freund, der viele Jahre im Künstlermanagement tätig ist und uns seinen Rat anbietet, wann immer wir in Bedrängnis sind, sagte ganz klar: »Das ist eine Tragödie, doch du kannst nicht ändern, was geschehen ist. Sei ein Profi, und gib dem Publikum die Show, die du ihm versprochen hast. Alles andere wirst du später bereuen.«
    So habe ich meinen Auftritt durchgezogen. Und es ist mir tatsächlich gelungen, den Leuten ein gutes Gefühl zu geben und niemanden merken zu lassen, wie es in mir drinnen aussah. Ich wollte nicht, dass irgendjemand weiß, dass meine Omi gestorben ist. Diese Trauer war etwas sehr Intimes. Und ich bin froh, dass es mir gelungen ist, sie zu verbergen.
    Manchmal werde ich gefragt, wie ich damit lebe, dass so viele Menschen meine Vorlieben kennen. Und ich sage ihnen, damit habe ich nicht das geringste Problem. Ich lasse gern alle an meinem Leben teilhaben.
    Nur bei meiner Familie hört der Spaß auf. Da bin ich empfindlich. Denn sie haben sich diese Öffentlichkeit nicht ausgesucht und sind viel verletzlicher als ich. Meine Familie ist mein wunder Punkt. Dieses Buch ist die einzige Ausnahme, die ich mache, weil ich das Gefühl habe, dass es wichtig ist, diese Dinge aufzuschreiben.
    Selbst bei meinem Mann, der mich überallhin begleitet, bin ich vorsichtig. Ich will ihn raushalten. Das geht natürlich nicht immer. Wenn wir bei einer Filmpremiere über den roten Teppich gehen, werden wir zusammen fotografiert.
    Aber ich will nicht, dass jemand die Ess- und Schlafgewohnheiten meiner Eltern aufschreibt. Das geht niemanden etwas an. Ich weiß, dass ich nichts wäre ohne die Bewunderung des Publikums. Das mag ich, und es ist mein erklärtes Ziel noch mehr für mein Publikum zu geben.
    Es ist schön, bewundert zu werden. Aber nicht nur dafür, dass ich dicke Brüste habe. Jetzt nicht mehr. Ich will auch dafür bewundert werden, dass ich mich anstrenge, eine gute Schauspielerin zu werden. Mir ist klar, wie gewagt dieses Projekt ist. Vor allem nach meiner Vergangenheit.
    Ich werde interviewt, gefilmt, fotografiert. Ja, ich genieße diesen Ruhm in vollen Zügen. Ich hole mir alles, was ich früher nicht gehabt habe. Ich wollte immer toll aussehen, wie eine Prinzessin behandelt werden, hollywoodmäßig sein. Das ist es. Man kommt überall hinein, fast jeder Wunsch wird dir erfüllt. Ich
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