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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kleid‹ nennt.
    Es hat lange gedauert – fast über ein Jahr –, bis der erste Mann meinen Körper streicheln durfte und das ›weiße Kleid‹ Flecken bekam. Es war pure Neugier gewesen, denn alle meine Kommilitoninnen erzählten ›davon‹; vor allem nach einem langen Wochenende, welches sie – nach ihren Berichten – fast nur im Bett unter einem Mann verbracht haben mußten.
    Nun hatte ich es auch versucht und – war enttäuscht. Jeróme Puissaque hieß er – ich weiß es noch – und arbeitete als wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Laudonne, dem Hämathologen an der Sorbonne. Ein charmanter, aber windiger Südfranzose aus einem Ort nahe der spanischen Grenze, direkt an den Pyrenäen. Er war ein Liebhaber mit großem Feuer, aber ohne Ausdauer. Nach einem gestenreichen Vorspiel folgte die Hauptsache, und die war von einer Schnelligkeit, die mich an die häuslichen Karnickel im Stall erinnerte. Aber Jeróme sagte nachher: »Du machst mich verrückt, Gisèle! Ich verliere einfach die Beherrschung! Wenn ich deinen Körper sehe, rauscht mir das Blut in den Ohren.«
    »Deshalb bist du auch Hämathologe!« hatte ich damals sarkastisch geantwortet.
    Die Verbindung hielt zwei Wochen. Dann riß sie abrupt ab, weil ich nicht einsah, warum nur immer er seinen Spaß haben sollte und ich nur das Gefühl empfand, ein männlicher Leib belaste mich unnötig.
    Man kann es mir glauben: Ich wurde keine Männerfresserin. Aber ich bin auch kein Mädchen, das die Beine eisern zusammenkneift, wenn der Mann, der ihr gefällt, seine Hand auf ihre Knie legt und sie zu streicheln beginnt. Ich gestehe es – wie ich heute so viel noch zu gestehen habe –, daß ich eine schwache Moralität entwickele, wenn ich in mir das prickelnde Gefühl spüre, jetzt wäre es an der Zeit nachzugeben und nichts anderes mehr zu sein als ein sehnsüchtiger Körper.
    Das ist nicht immer so. Ich habe mich genau beobachtet, mit wissenschaftlicher Akribie gewissermaßen, als ein eigenes Forschungsobjekt für sexualmedizinische Studien. Sogar eine Statistik hatte ich aufgestellt und daran erkennen können, daß meine Liebesbereitschaften in Intervallen ablaufen. Vorhanden war die Freude, mit einem Mann zusammen zu sein, immer, nahezu unterbrechungslos. Dann jedoch gab es Tage, in denen etwas Raubtierhaftes in mir erwachte. Man sah es mir nie an. Im Gegenteil. Spürte ich diese Intervalle kommen, wurde ich besonders verschlossen. Wenn aber dann der richtige Mann in mein Leben eingegriffen hätte, wäre es wie die Befreiung aus einem Käfig geworden.
    Bei Dr. Gaston Ralbais, damals im Jardin du Luxembourg, war ich in eine Phase geglitten, die mich an den Rand einer Dirne brachte. Aber er merkte es Gott sei Dank nicht. Hätte er gesagt: »Komm, wir gehen zu mir«, ich wäre mitgegangen.
    Gaston hat es nicht gesagt. Er wollte ein Ehrenmann sein, wie er es meinen jungen Kollegen versprochen hatte. Genau das aber war es, was eine unheimliche Sehnsucht in mir aufkeimen ließ. Ich setzte mich an das Fenster unserer kleinen Wohnung in Gentilly, wartete, bis meine kleine Schwester Brigit erwachte, machte ihr das Frühstück und sorgte dafür, daß sie pünktlich zu ihrer U-Bahn und zur Kunstakademie kam.
    »Wie war's gestern?« fragte sie, ihr Croissant kauend, das sie nach jedem Bissen in einen Honigtopf tunkte. Sie konnte sich das bei ihrer sylphidenhaften Figur leisten. Ein blondes Püppchen mit einem Schmollmund, den sie durch Lippenrot noch unterstrich. Ihre Lippen sahen immer aus, als wollten sie küssen.
    »Gewaltig!« antwortete ich burschikos. »Ein Bett habe ich noch nicht gesehen. Als du aufwachtest, war ich gerade nach Hause gekommen.«
    »So ein Doktordiplom ist etwas feines, was?« Sie sagte es so kindlich, daß man den Drang hatte, sie auch wie ein Kind zu liebkosen. »Wann feiern wir zusammen, Gisèle?«
    »Wenn der ganze offizielle Kram vorbei ist. Morgen muß ich zuerst zu Prof. Bocchanini und sehen, ob ich die Stelle als Anästhesistin auch bekomme. Zugesagt hatte er, aber natürlich will er erst einmal in der Praxis sehen, was ich kann. Wenn das alles vorbei ist, Brigit, dann hauen wir zwei auf die Pauke.«
    »So richtig, Gisèle? Mit Männern?«
    »Schwesterchen!«
    »Was ist denn?« Sie stand auf, kaute noch an ihrem Croissant und trank die Tasse Kaffee leer. »In der Akademie sehen wir täglich eine ganze Reihe nackter Männer. Nicht auf Bildern, sondern in Natur, im Aktstudio. Ein Mann ist etwas Schönes.«
    Das aus dem Mund meiner
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