Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
er lächelnd.
    »Wir feiern unser Diplom«, schrie Fioret schrill. »Und jetzt will ich zu Madame Blichet!«
    »Dann haben Sie wohl nichts dagegen, wenn ich Dr. Parnasse aus Ihrer sexualerregten Mitte herausnehme und nach Hause bringe«, meinte Dr. Ralbais und faßte mich unter. »Ich garantiere für eine unbeschädigte Abgabe«, fügte er sarkastisch hinzu, als er Pierres kritisches Gesicht sah.
    »Ehrenwort?« rief Vince. »Sind Sie ein Ehrenmann?«
    »Ehrenwort!«
    »Dann los, Kinder!« Laroche setzte sich an die Spitze. »Madame Blichet wird Überstunden machen müssen!«
    Singend zogen sie ab und bogen um die nächste Ecke. Noch lange dröhnte ihr Gesang durch die stillen Straßen und strich über die geschlossenen und geöffneten Fenster, über diese Fenster, hinter denen nackt wegen der Hitze die Menschen schliefen.
    Ich stand allein mit Dr. Gaston Ralbais in der Rue Vancours, einer kleinen Querstraße des großen Boulevard Raspail, nahe dem Gare Montparnasse.
    »Wohin darf ich Sie bringen, liebe Kollegin?« fragte Dr. Ralbais. »Ich nehme an, daß Sie müde sind und erschöpft von dem lauten Trubel Ihrer jungen Freunde.« Er zog mich mit sich fort, ohne abzuwarten, was ich antworten würden, und ich sah, daß er den Weg zum nahen Jardin du Luxembourg einschlug. »Als ich mein Diplom feierte«, plauderte er weiter, »waren wir zu fünfzehn! Wir saßen am Quai de la Râpée, nahe der Pont de Bercy. Es war auch ein Augustabend wie heute, warm, hell und irgendwie dazu verführend, alle Hemmungen fallen zu lassen. Wir hockten auf der Straße an der Seine, fast wie die Clochards, weil uns der Wirt des ›Flamingo‹ hinausgeworfen hatte. Einer von uns, ein Chemiker, hatte nämlich mit seinem Glas Brandy mittels eines geheimnisvollen Pulvers, das er ins Glas schüttete, eine heftige Explosion verursacht.«
    Ich lachte. »Dann waren Sie also nicht anders als wir?«
    »Durchaus nicht. Nur hatten wir mehr Achtung vor den Frauen als die heutige Jugend. Wir waren nur Männer.«
    Ja, das sagte er damals. Er sagte es überzeugend: Wir hatten mehr Achtung vor den Frauen. Und als er es sagte, kam ich mir geborgen vor, durchfuhr es mich wie ein ersehntes Glück. Ich empfand keine Angst, als die weiten Rasenflächen und die stillen, dunklen Alleen des Jardins du Luxembourg vor uns auftauchten.
    Dr. Ralbais blieb plötzlich stehen. »Jetzt sind wir ein ganzes Stück gegangen, ohne uns zu fragen, wohin.« Er ließ meinen Arm los und schob den Hut in den Nacken. »Wo wohnen Sie, Dr. Parnasse?«
    »Gerade entgegengesetzt. In Gentilly. Boulevard Kellermann.«
    »Dahin fährt jetzt weder ein Bus noch eine U-Bahn noch eine Straßenbahn.«
    »Höchstens eine Taxe.«
    »Wenn wir Glück haben« – Er schüttelte den Kopf. Dann sah er auf seine Armbanduhr und nickte. »Es ist jetzt nach drei Uhr morgens. In zwei Stunden fahren die ersten Bahnen und die bekommen wir unter Garantie schneller als eine Taxe. Außerdem sind jetzt die Chauffeure so müde, daß es unverantwortlich wäre, Sie ihnen anzuvertrauen. Wir werden die zwei Stunden auch noch angenehm verbringen können.«
    Es war alles so selbstverständlich, was er sagte und wie er es sagte, so daß ich nur nickte und mich von ihm in den Jardin du Luxembourg führen ließ.
    Wir setzten uns auf eine Bank, dem Palais gegenüber, das in der fahlen Nacht größer, schöner, märchenhafter wirkte als sonst in der strahlenden Sonne. Hinter uns atmeten die Büsche des Lebensbaumes ihren süßlich-scharfen Geruch aus. Vor uns, in den Rasenrabatten, träumten die Rosen mit geschlossenen Blüten. Wir saßen so eine ganze Zeit, ohne zu sprechen.
    »Sie sind keine Pariserin?« fragte Dr. Ralbais endlich. Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein, ich komme aus Avignon.«
    »Aus dem Land der Troubadoure!« Er lächelte. »Dann sind Sie mit Liebesliedern aufgewachsen?«
    »Ich habe leider keine gehört«, sagte ich darauf.
    »Leider?« Als ich schwieg, legte er die Hand auf die Lehne der Bank. Ich spürte sie durch mein dünnes Kleid hindurch, als läge sie mir auf dem Rücken. Und dieses Gefühl empfand ich plötzlich als schön oder gar als glücklich – ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Ich hatte nur den Wunsch, daß er seine Hand eine lange Zeit dort liegen lasse. Ich würde mich dann langsam zurücklehnen und sie wirklich fühlen. Es mußte herrlich sein! Ich kam mir vor wie ein kleines, dummes Mädchen, das von weitem seinen Schwarm aus dem Gymnasium kommen sieht.
    »Wollen Sie sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher