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Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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lustige, laute, ausgelassene Bande, lauter Mediziner mit dem noch frisch unterschriebenen Diplom in der Tasche. Wir lärmten über den Boulevard Haussman, brachten unserem Professor ein Ständchen und zogen dann weiter nach St. Germain des Près, dem Existentialistenviertel von Paris, dem Dschungel der bärtigen Weltverleugner und der Tempeltänzerinnen des ›Tabu‹. Hier, im Keller des Monsieur Pompom, der sicherlich anders hieß, aber der nur Pompom gerufen wurde, ließen sich die Jungen vollaufen und begannen gegen Mitternacht die Solotänzerin des Lokals auf den Tisch zu legen, um am lebenden Modell den anderen Gästen Anatomie zu lehren.
    »Und hier, Mesdames, Messieurs«, hatte der torkelnde Pierre Laroche gerufen, »hier sehen Sie die Mamma! Eine entzückende, voll entwickelte, verflucht reizende Mamma! Angenommen, Jeanette hat einen Mammakarzinom? Was tun?« Er fuhr mit den Fingern rund um die Brust der Tänzerin und hob ihren Arm. »Wir nehmen die Mamma ab! Einfach ab. Bis zu den Lymphdrüsen unter dem Arm!«
    Quiekend verließ die Tänzerin den Tisch und rannte nackt durch den Keller zu ihrer Garderobe. Die anderen Gäste klatschten in die Hände, und wir sangen unser Studentenlied, während wir mit den Fäusten den Takt auf den Tisch hämmerten.
    Gegen drei Uhr morgens dann schloß Pompom seinen Keller und setzte uns vor die Tür.
    Es war eine warme Nacht. Ich erinnere mich noch gut daran. Eine Augustnacht voll angestauter Sommerhitze. Ich sah die dunklen Fenster der Häuser entlang. Hier und da stand eines offen. Jetzt liegen sie nackt auf ihren Betten, dachte ich, weil es im Hemd oder Schlafanzug zu warm ist. Monsieur Dupont wird seine Hand auf dem Schenkel seiner Frau liegen haben, und Madame Lorranine hat einen wohligen Traum und tastet mit den Beinen nach dem schnarchenden René. Irgendwo hinter diesen stillen, dunklen Fenstern werden zwei nackte Körper nur noch ein Körper sein, verschlungen und ineinander geglitten wie bei dem Liebesspiel der Schlangen. Irgendwo, dort hinter den Fenstern –
    So dachte ich, während Pierre Laroche und Fioret auf dem Bordstein der Straße saßen und sich stritten, welches Bordell um diese Zeit noch geöffnet sei.
    »Was machen wir mit Gisèle?« fragte Vince, nachdem sie sich geeinigt hatten, daß in der Nähe des Père Lachaise noch ein Haus offen sein müßte.
    »Die nehmen wir mit!« krähte Jacque, der Internist. »Gisèle hat uns doch immer gesagt: Der beste Unterricht ist die Anschauung!«
    In diesem Augenblick bog ein Mann um die Ecke und blieb einen Augenblick stehen, um die Szene, die sich ihm bot, genau zu betrachten.
    »Ein neuer Lustlümmel!« schrie Fioret von seinem Bordstein aus. »Gehen Sie mit, Kamerad? 300 Francs kostet es bei Madame Blichet, kleine Waschungen mit Parfüm einbegriffen!«
    Der einsame Mann an der Ecke rührte sich nicht. Er blickte zu uns herüber, er sah mich an, wie es mir schien, musternd, kritisch, abwägend, was er von mir halten sollte, nachdenkend, ob ich in diese Gesellschaft paßte und welche Rolle ich in ihr spielte.
    Pierre Laroche, der Fachmann für Mammakarzinome, begann, sein Geld zu zählen. Er hielt uns seine Geldbörse entgegen und schüttelte den Kopf. »Nur noch 200 Francs, Kinder!« sagte er traurig. »Damit komme ich bei Madame Blichets Mädchen nicht weiter als bis zur Gürtellinie.«
    Fioret kreischte vor Vergnügen. Ich stand ein wenig abseits, an die Hauswand gelehnt und schämte mich vor dem Blick des einsamen Mannes, der jetzt zögernd herantrat und vor mir den Hut zog.
    »Kann ich etwas für Sie tun, Demoiselle?« fragte er. Er blickte dabei auf Pierre Laroche, der sich von der Bordsteinkante erhoben hatte und auf uns zu torkelte.
    »Weitergehen!« schrie Laroche. »Lassen Sie das Mädchen in Ruhe! Das ist kein 300-Francs-Mädchen, sondern eine Doktorin der Medizin!«
    Der Fremde sah mich erstaunt an. Schon in diesem Augenblick durchfuhr mich das Zittern, als ich seine Augen sah, jenes Zittern, welches ich immer spürte, wenn er sich über mich beugte und seine Augen den meinen ganz nahe waren.
    »Sie sind eine Kollegin?« Er verbeugte sich leicht. »Dr. Gaston Ralbais.«
    »Dr. Gisèle Parnasse«, antwortete ich schwach.
    Laroche winkte mit beiden Armen die anderen herbei. »Heran!« schrie er. »Herbei, ihr Völker! Hier ist ein Bruder gekommen!«
    Dr. Ralbais sah sich um und musterte die schwankenden Gestalten, die vom Straßenrand auf ihn zutaumelten. »Wohl ein ausgedehnter Kommers, was?« fragte
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