Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich gestehe

Ich gestehe

Titel: Ich gestehe
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
verabredet«, sagte ich steif.
    »Mit Pierre? Oder Fioret? Oder einem anderen dieser Säuglinge?«
    »Sie sprechen von Kollegen, Herr Oberarzt.«
    »Verzeihung.« Er verbeugte sich im Sitzen. »Ich habe nämlich gedacht, daß Sie zur Einarbeitung heute abend in die Klinik kommen. Wenn Sie morgen vor den neuen Apparaten sitzen, werden Sie keine gute Figur machen. Trotz Ihrer Figur«, setzte er lächelnd und sarkastisch wie immer hinzu. »Deshalb wollte ich Ihnen heute abend während einer kleinen Operation – es ist eine Magenverkürzung – die neuen Anästhesieapparate erklären und Sie in Geheimnisse unserer Klinik einweihen.« Er hob die Arme. »Aber bitte, wenn Sie besetzt sind – machen wir es morgen!«
    Ich erhob mich. Die Sicherheit, die er ausstrahlte, ärgerte mich etwas, obgleich ich sie im gleichen Augenblick bewunderte. »Bedaure sehr, Herr Oberarzt. Ist sonst noch etwas?«
    »Nein. Sie können gehen.«
    »Auf Wiedersehen.«
    »Bis morgen«, sagte er hämisch.
    Ich komme nicht heute abend, dachte ich wütend. Und wenn du noch so sicher bist: Ich komme nicht! Ich gehe mit Pierre aus, obwohl ich mich gar nicht mit ihm verabredet habe! Aber jetzt tue ich es! Ich gehe mit Pierre aus! Mit Pierre! Jetzt gerade! Die ganze Nacht, mein Herr Oberarzt Dr. Gaston Ralbais!
    Und abends um halb neun Uhr, zehn Minuten vor Beginn der Operation, die Gaston leitete, stand ich im grünen, sterilen Kittel im Vorraum des OP und wusch mir die Hände neben Gaston in den großen, gefliesten Becken.
    »Hat Pierre Sie versetzt?« fragte er, indem er seine Arme mit Seife abschrubbte. »Ein Flegel! Ich würde mich an Ihrer Stelle nie wieder mit ihm verabreden!«
    Ich biß mir auf die Zunge. Ich wurde rot vor Wut, aber ich schwieg. Ich ließ mir den Mundschutz umbinden und die grüne Haube auf die Haare pressen. Gaston trocknete sich die Hände und Arme an dem antiseptischen Heißlufttrockner ab, ehe er in seine Gummihandschuhe schlüpfte und eine Schwester ihm die lange, gelbe Gummischürze umband. Ein Assistent hatte bereits mit der Narkose begonnen. Ich durfte nur zusehen und saß wie ein lästiges Anhängsel neben dem Assistenten hinter dem Kopf des Patienten.
    Zum erstenmal sah ich Gaston operieren. Wenn es auch eine Routineoperation war, so war es doch ein Genuß, dem Spiel seiner Finger zuzusehen, wie sie die Klammern einsetzten, die Scheren hielten, das Skalpell führten, die Nähte anlegten, wie sie in diesen schmerzfrei gemachten Menschen hineingriffen und sein Leben retteten. In diesem Augenblick verstand ich ihn: Man konnte sich in seine Hände verlieben, denn sie waren Ausdruck seiner Seele und einer helfenden Kunst, die ein Geschenk Gottes ist.
    Nach der Magenverkürzung saßen wir allein in dem Zimmer Bocchaninis zusammen und rauchten eine Zigarette. Im OP wurde noch geputzt. Der Assistent wachte bei dem Operierten, die Oberschwester sorgte für die Sterilisation der Instrumente. Sonst schlief alles in dem großen Bau bereits, nur in den Zimmern der Sterbenden war Licht, ein mattes, kleines Licht, das die vergehenden Züge der Menschen und die Tränen der herumsitzenden Angehörigen linderte.
    »Haben Sie gesehen, wie die Apparate arbeiten? Das ist nur eine rein technische Angelegenheit. Der Narkotiseur muß ein Gefühl dafür haben, welche Narkose und wie stark er sie anwendet. Er muß erfinderisch sein wie der Chirurg, der seine Operationsmethoden ständig verbessert. Wir können heute schwierige Herzeingriffe nur mit Hilfe guter Anästhesisten unternehmen, die in der Unterkühlungsmethode ebenso gut Bescheid wissen wie in der Curare-Narkose, der Lumbalanästhesie und vor allem der Intubationsnarkose.«
    »Ich werde mir Mühe geben, Herr Oberarzt«, antwortete ich. Er sah mich groß an und schüttelte den Kopf.
    »Was haben Sie, Gisèle?« fragte er. »Warum ärgern Sie sich. Worüber ärgern Sie sich?« Er kam um den großen Schreibtisch herum und setzte sich zu mir auf die Lehne des Sessels. »Ist es wegen Pierre?«
    »Pierre?« fragte ich verständnislos.
    »Ja, weil er Sie heute versetzt hat und Sie in die Klinik mußten.«
    »Sie sind gemein, Dr. Ralbais«, sagte ich ehrlich.
    »Oder war es gar nicht Pierre?«
    »Fragen Sie nicht. Es ist meine Privatangelegenheit.«
    »Sicher, sicher. Ich weiß, Gisèle …« Und plötzlich beugte er sich zu mir herab umfing mich und küßte mich. Und während er mich küßte, tasteten seine Hände über meine Schulter und fuhren die Brüste hinab, wo sie liegenblieben und zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher