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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
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verschieben, weil sie dadurch ein paar zusätzliche Werbespots für Erfrischungsgetränke oder Chips unterbringen können. Als sie mich flehentlich ersuchen, doch um Himmels willen auch etwas für sie zu erfinden, entwickle ich eine Neuauflage des saublöden Plastikvogels, der unablässig auf der Stelle wippt und dabei seinen Schnabel in ein Wasserglas taucht. Meine Version funktioniert genau wie die alte, nur hat mein Vögelchen man halte sich bitte fest eine Sonnenbrille auf!
    Mit dem Erlös meiner zahllosen Erfindungen baue ich mir mein eigenes Raumschiff und entdecke einen neuen Planeten, der fast so aussieht wie die Erde und in knapp zwanzig Minuten zu erreichen ist. Meine neue Welt treibt den Immobilienspekulanten und multinationalen Konzernen den Schaum vor den Mund. Genussvoll male ich mir unsere Treffen aus, bei denen sie mich davon zu überzeugen versuchen, warum das Universum Filialen von Pizza Hut oder einen Disney-Park braucht. Eine Zeitlang halte ich sie hin und höre mir ihre Pläne an, bevor ich zu bedenken gebe, der jüngst auf den Namen »Fickt-euch-ins-Knie-ihr-Sackgesichter« getaufte Planet sei möglicherweise nicht für jeden da.
    Der Champion
    Obwohl ich nur noch einen Sieg vom Weltmeistertitel im Schwergewicht entfernt bin, fragen die Leute noch immer: »Wer ist dieser Typ?« Wer mich einem Phantomzeichner bei der Polizei beschreiben sollte, würde vermutlich mit der Nase anfangen. Die Nasenspitze zeigt nicht unbedingt nach oben wie bei einer Himmelfahrtsnase; aber wer unmittelbar vor mir steht, wird bemerken, dass meine Nasenlöcher vorstehen und seltsam ausdrucksstark sind, wie ein zweites kleineres Augenpaar, das über meine untere Gesichtshälfte wacht, die Heimat meiner vollen Lippen und meines makellos weißen Gebisses. Wenn der Phantomzeichner sich an meine Augen macht, wird man einen Schritt zurücktreten und sagen: »Nein, tut mir leid, die sind vollkommen anders.« Nach weiteren vier oder fünf missglückten Versuchen wird der Zeichner die Geduld verlieren und bemängeln, »gefühlvoll« sei keine genaue physiognomische Beschreibung. Die Schwierigkeit liegt in dem Bemühen, meine Augen von meinen Brauen zu trennen, die den Ausdruck meines Gesichts ungefähr in der gleichen Weise verändern, in der unterschiedliche Satzschlusszeichen die Bedeutung eines Satzes verändern. Da gibt es das Ausrufezeichen, das ich immer dann aufsetze, wenn ich von Paparazzi erwischt werde, das Fragezeichen, den Punkt, wenn ich es ernst meine, den Gedankenstrich, das gedankenschwere Semikolon und die drei aufeinanderfolgenden Punkte, auf die ich baue, wenn ich grob unterbrochen wurde oder nach dem richtigen Wort suche. Die Augenbrauen arbeiten im Team mit meinem pechschwarzen Haar, das irgendwo zwischen lockig und wellig liegt und nach der Erfindung eines eigenen Ausdrucks ruft.
    »Es ist. . . lollig«, würde man sagen. »Wie ein Sturm auf hoher See, wenn das Meer statt aus Wasser aus Haar wäre.«
    Wenn der Phantomzeichner daraufhin den Bleistift hinwirft, wird man rasch ergänzen: »Also gut, wie wär's damit: Er sieht ein bisschen so aus wie der Typ, der in Liebe, Lüge, Leidenschaft den Cord Roberts gespielt hat. Oder, nein, ich nehm's wieder zurück. Er sieht exakt so aus wie der Typ, der in Liebe, Lüge, Leidenschaft den Cord Roberts gespielt hat. Ist Ihnen das anschaulich genug?«
    Es ist einigermaßen überraschend, dass ich ein ernsthafter Anwärter auf den Weltmeistertitel im Schwergewicht bin, nicht, weil ich zu langsam oder zu schmächtig wäre, sondern weil ich ein relativer Newcomer in diesem Sport bin. Zuvor war ich stinknormaler Medizinstudent in Yale und hätte mir niemals träumen lassen, einmal zu boxen, bis ich keinen Platz im Seminar für Endotracheale Intubation bekam und mich stattdessen für einen Box-Kurs einschrieb. Der Dozent erkannte mein außergewöhnliches Talent, ließ mich bei ein paar regionalen Kämpfen antreten, und so führte eins zum anderen. Ich machte eine gute Figur im Kapuzen-Sweatshirt, und als man mich fragte, ob ich Profi werden wolle, sagte ich: »Okay. Warum nicht?«
    Bei dieser Phantasie achte ich darauf, allzu deutliche Parallelen mit Rocky I-V zu vermeiden. Ich renne nie durch New Haven oder schlage mit den Fäusten in die Luft. Genauso wenig gebe ich mich mit leichten Mädchen ab oder begrüße Freunde mit einem unorthodoxen Handschlag. Vor allen Dingen aber hält mich nie jemand für einen Underdog. Man muss bestimmte Ziele haben, um diesen Titel zu
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