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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
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Empfang nehme, bin ich so in Gedanken versunken, dass der Peacenik neben mir mich mit dem Ellbogen anstoßen und mir leise zuflüstern muss: »Hey, Kumpel, ich glaube, die haben deinen Namen aufgerufen.«
    Manchmal lasse ich mich von glücklich geheilten Krebspatienten zum Diner einladen, doch ansonsten ziehe ich es vor, ungestört zu bleiben und den sich auf meinem Schreibtisch auftürmenden Berg offizieller Einladungen zu ignorieren. Ohne großes Aufhebens darum zu machen, entwickle ich Heilmittel gegen Aids und Emphyseme, so dass die Menschen sich wie früher nach einer wüsten Runde Analverkehr ganz locker eine Zigarette anstecken können. Es gibt jede Menge Gerede darüber, »das Rad der Zeit wird zurückgedreht«, vernehmlich von Leuten, die so oder so nicht davon betroffen sind. Psychologen verkünden auf sämtlichen Fernsehkanälen, unsere geheilten Aids- und Krebspatienten benötigten dringend psychologischen Beistand. »Wir müssen diesen Leuten zeigen, dass nichts dabei ist, dass sie weiterleben«, heißt es. Ihre Botschaft löst allenfalls schallendes Gelächter aus, genauso wie die Flut von Büchern mit Titeln wie Die Scham überwinden, zu genesen oder Remission Impossible: Der Idenitätskonflikt in einer Gesellschaft ohne Krebs! Nachdem sie dem Unfug jahrzehntelang aufgesessen sind, entscheiden die Amerikaner, sie hätten lange genug unter grundlosen Ängsten gelitten. Antidepressiva geraten aus der Mode, während schmutzige Witze ihr längst überfälliges Comeback erleben. Ich heile Paralyse, weil ich es leid bin, Skateboarder die Rollstuhlrampen hinunter flitzen zu sehen, und ich heile Muskeldystrophie, um endlich Schluss mit dem Jerry-Louis-Telethon zu machen. Nachdem ich die Debilität abgeschafft habe, damit niemand mehr eine Ausrede hat, einen Film nach einer TV-Vorlage zu drehen, finde ich als persönliches Dankeschön an einige meiner Lieblingsstars Heilmittel gegen Diabetes, Herpes und Parkinson. Schließlich erfinde ich noch eine Tablette, die Meerwasser genießbar macht, und eine weitere, die die Wirkungen von zwölf Tassen Tee oder sieben Bier und zwei Scotch neutralisiert. Sämtliche Entdeckungen machen Schlagzeilen, aber den größten Wirbel gibt es um eine Seife, die alte Haut wieder jung macht. Man muss sich lediglich im Bad oder unter der Dusche mit meinem Produkt einseifen, es drei Minuten einwirken lassen, um nach dem Abspülen fünfundzwanzig Jahre jünger auszusehen. Die Wirkung hält drei Tage an, doch kann die Behandlung beliebig oft wiederholt werden. Obwohl die Seife sündhaft teuer ist, muss natürlich jeder über vierzig sie haben. Über Nacht sehen Altersheimbewohner aus wie sonderbar gekleidete Schulabgänger, während zauberhafte Frauen mit Inkontinenzwindeln sehr langsam Auto fahren und mit ihren Einkaufswagen die Gänge im Supermarkt blockieren. Besonders gerne male ich mir die durch mein Produkt gestifteten Verwicklungen aus: den ungläubigen Blick des unverjüngten Single, wenn die neue Flamme ihr Gebiss im Wasserglas neben dem Bett deponiert, oder der Achtzigjährige mit dem Milchbubi Gesicht, der vergessen hat, dass er auf der Silvesterparty als Väterchen Zeit auftreten will. Längst verflossene Schönheitsköniginnen streiten erneut um die Krone, ohne dass irgendwer etwas merkt, bis der Talentwettbewerb ansteht und sie »Sonny Boy« oder »Das ist die Liebe der Matrosen« zum Besten geben.
    Leider funktioniert meine Seife nicht bei jedem. Wer in der Vergangenheit wiederholt die Dienste der kosmetischen Chirurgie in Anspruch genommen hat - die Augenlider geliftet, die Fältchen mit Collagen aufgefüllt , bekommt durch meine Kur ein groteskes Katzengesicht, in der Art jener Aliens, die angeblich in Roswell, New Mexico, gesichtet wurden. Aus Gründen, die sich der medizinischen Forschung entziehen, versagt das Mittel auch bei Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, etwa bei den Herausgebern von Modejournalen. Ein Leben lang haben diese Menschen jugendliche Schönheit gepredigt und jedem über Dreißig das Gefühl vermittelt, ein ständiges Ärgernis zu sein. Jetzt, wo es zu spät ist, schwenken sie um und wollen Leberflecken als Renner der Saison verkaufen. »Die Alten sind die Jugend von heute«, lautet der neue Slogan, aber niemand interessiert sich mehr dafür. Mitarbeiter beim Fernsehen sind ebenfalls ausgeschlossen, besonders diejenigen, die Sendungen von Sonntagabend um acht auf Mittwoch um halb zehn, danach zurück auf Sonntag und zuletzt auf Donnerstagvormittag
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