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Ich ein Tag sprechen huebsch

Ich ein Tag sprechen huebsch

Titel: Ich ein Tag sprechen huebsch
Autoren: David Sedaris
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brauchte, so dass Hugh ebenfalls an dem Test teilnahm. Meine Angst, er könne mich ausstechen, hatte sich durch eine Reihe jüngerer Vorkommnisse gelegt. Eine Woche zuvor, als wir Urlaub in Slowenien machten, hatte er eine Pizza bestellt, von der ihm der englischsprechende Kellner eindringlich abgeraten hatte. Der Belag bestand aus einer dicken Schicht Dosengemüse: Erbsen, Mais, Möhrenscheiben, Kartoffeln und gewürfelte Kohlrabi. Als der Kellner die wenig appetitliche Pizza an den Tisch brachte und ich das blanke Entsetzen in Hughs Gesicht sah, wusste ich, dass ich bei einem Test des gesunden Menschenverstandes die Nase vorn hätte. Ein paar Tage später erklärte er ohne eine Spur von Ironie, die Erfindung und die Geschichte des Schokoladenkekses könne den Stoff für ein spannendes Musical liefern. »Vorausgesetzt natürlich, man findet den richtigen Choreographen.« »Ja«, sagte ich. »Sicher doch.«
    Der Test, dem wir uns unterziehen sollten, war als Eignungstest für die Aufnahme in die »Mensa« konzipiert, einer internationalen Vereinigung von Leuten mit einem IQ von hundertzweiunddreißig und darüber. Die Mitglieder des Klubs kommen aus allen Bereichen der Gesellschaft und treffen sich alle paar Wochen, um gemeinsam ins Kino zu gehen oder Würstchen zu grillen. Sie sind so was Ähnliches wie die Rotarier oder Freimaurer, nur eben dass sie klug sind. Durchgeführt wurde der Test von Madame Haberman, einer attraktiven französischen Psychologin, die selbst Mensa-Mitglied war. Sie erklärte, wir würden vier verschiedene Tests in einer jeweils vorgegebenen Zeit machen. Um für die Aufnahme in die Mensa in Frage zu kommen, müssten wir in allen vier Tests zu den jeweils besten zwei Prozent der Kandidaten gehören. »Also denn«, sagte sie. »Sind wir soweit?«
    Ich kenne Leute, die schon vor mir einen Intelligenztest gemacht haben, und jedes Mal, wenn ich sie bat, eine der gestellten Aufgaben zu wiederholen, starrten sie mich mit leeren Augen an und sagten: »Also weißt du, das waren so Multiple-Choice-Geschichten.« Unmittelbar nach meinem Test hatte ich große Schwierigkeiten, mich an irgendetwas zu erinnern, abgesehen von dem Gefühl unendlicher Erleichterung, das ich jedes Mal verspürte, wenn die Zeit abgelaufen war und wir aufgefordert wurden, den Bleistift aus der Hand zu legen. Für die Tests gab es jeweils einzelne Bögen. Beim ersten wurde einem eine Reihe von drei Figuren gezeigt, und man musste herausbekommen, welche der vier daneben abgebildeten Figuren die Reihe am besten ergänzte. Die Beispielaufgabe zeigte ein senkrechtstehendes Blatt, das sich nachfolgend immer weiter nach rechts zur Seite neigte. Es ist nicht nur die einzige Aufgabe, an die ich mich erinnern kann, sondern vermutlich auch die einzige, die ich richtig gelöst habe. Der zweite Test hatte etwas mit räumlichem Denken zu tun und bescherte mir eine Kopfschmerzattacke, die geschlagene vierundzwanzig Stunden anhielt. In Test drei sollten wir aus fünf Figuren jeweils zwei herausfinden, die nicht dazugehörten. Anschließend war erst einmal Pause, die wir oben auf der Straße verbrachten. Hugh und Madame Haberman redeten über ihren bevorstehenden Urlaub an der türkischen Mittelmeerküste, während ich noch ganz in der Testwelt versunken war. Fünf unscheinbare Schüler kamen die Straße entlang spaziert, und ich versuchte herauszufinden, welche zwei nicht dazugehörten. Ich stellte mir vor, wie ich auf die beiden Turnschuhträger zuging, und malte mir ihre Verwirrung aus, wenn ich ihnen die Hand auf die Schulter legte und sagte: »Ich muss euch bitten mitzukommen.«
    Beim letzten Test ging es darum, das System in einer Anordnung von vier Dominosteinen zu erkennen und den fünften Stein entsprechend zu ergänzen. Es gab dazu seitenweise Aufgaben, die ich vielleicht gerade zur Hälfte schaffte. Wie gerne würde ich mich damit herausreden, dass es im Raum viel zu heiß war oder dass mir das ständige Banjo-Gezupfe von Madame Haberman auf die Nerven ging, aber so war es nicht. Nach den Statuten der französischen MensaVereinigung waren sämtliche Aufgaben auf Französisch, aber ich hatte jedes Wort verstanden. Das Resultat des Tests ging einzig und allein auf mein Konto.
    Eine Woche nach dem Test wurden uns die Ergebnisse per Post zugeschickt. Hugh riet man, es noch einmal zu versuchen: Er liege knapp unter der Mensa-Qualifikationsmarke, aber Stress und andere äußere Faktoren könnten zu geringen Abweichungen führen. Mein Brief
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