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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende
Autoren: Richard Matheson
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Gesicht spannte sich noch mehr.
    »Der Letzte?«, murmelte er. Wie noch nie zuvor drückte die absolute Einsamkeit ihn nieder.
    »Soweit wir wissen, ja«, sagte sie gleichmütig. »Du bist jetzt der Einzige deiner Art. Wenn du nicht mehr lebst, gibt es keinen wie dich mehr in unserer neuen Gesellschaft.«
    Er blickte zum Fenster.
    »Das sind - Menschen - dort draußen?«
    Sie nickte. »Sie warten.«
    »Auf meinen Tod?«
    »Auf deine Hinrichtung«, korrigierte sie.
    Er spürte, wie er sich verkrampfte, als er zu ihr hochschaute.
    »Dann müsst ihr euch aber beeilen«, sagte er furchtlos und mit fast einer Spur Herausforderung in der heiseren Stimme.
    Sie blickten einander einen langen Moment an. Er spürte, dass etwas in ihr vorging. Einen Augenblick lang versuchte sie, ihre Gefühle zu verbergen.
    »Ich wusste es«, sagte sie leise. »Ich wusste, dass du keine Angst haben würdest.«
    Impulsiv legte sie ihre Hand sanft auf seine.
    »Als ich erfuhr, dass sie zu deinem Haus geschickt wurden, wollte ich dich warnen. Aber irgendwie war mir klar, dass nichts dich dazu bewegen könnte, das Haus zu verlassen, falls du noch dort warst. Also beschloss ich, dir zur Flucht zu verhelfen, nachdem sie dich hierhergebracht hatten. Doch dann hörte ich, dass du schwer verwundet warst. Also war eine Flucht unmöglich.«
    Ein Lächeln huschte über ihre Lippen.
    »Ich bin so froh, dass du keine Angst hast«, sagte sie. »Du bist sehr tapfer« - ihre Stimme klang wie eine Liebkosung -, »Robert.«
    Sie schwiegen, aber er spürte, wie der Druck ihrer Hand sich verstärkte.
    »Wie kommt es, dass ... dass du hier hereindarfst?«, fragte er.
    »Ich habe einen hohen Rang in der neuen Gesellschaft«, antwortete sie.
    Seine Hand zuckte unter der ihren.
    »Lass sie - lass sie nicht ...« Er hustete Blut. »Lass sie nicht - zu brutal werden, zu herzlos.«
    »Was kann ich ...«, begann sie, aber sie beendete ihren Satz nicht. Sie lächelte ihn an. »Ich werde mein Bestes tun«, versprach sie.
    Er hielt es nicht mehr aus. Die Schmerzen wurden noch schlimmer. Ihm war, als würde er gleichzeitig zerrissen, erstochen, zermalmt.
    Ruth beugte sich über ihn.
    »Robert«, sagte sie. »Hör mir zu! Sie wollen dich hinrichten, obwohl du verwundet bist. Sie müssen es. Die Menschen warten schon die ganze Nacht dort draußen. Sie haben schreckliche Angst vor dir, Robert, sie hassen dich. Sie wollen dich sterben sehen!«
    Sie nahm die Hand von der seinen und knöpfte ihre Bluse auf. Aus ihrem Büstenhalter holte sie ein winziges Päckchen und drückte es ihm in die rechte Hand.
    »Das ist leider alles, was ich noch für dich tun kann, Robert. Nimm die Pillen! Oh, Robert, ich habe dich gewarnt, ich habe dich gebeten zu fliehen.« Ihre Stimme zitterte. »Gegen so viele kann man nicht kämpfen, Robert.«
    »Ich weiß.« Die Worte kamen würgend aus seiner Kehle.
    Einen Moment lang blieb sie noch über sein Bett gebeugt stehen. Sie konnte ihr Mitleid nicht mehr unterdrücken. Tränen glitzerten in ihren Augen. Sie hatte ihre Härte zuvor also nur vorgetäuscht, dachte er. Sie hatte sich vor ihren eigenen Gefühlen gefürchtet. Ja, das kann ich gut verstehen.
    Ruth drückte die kühlen Lippen auf seine fiebrigen.
    »Du wirst bald wieder mit ihr beisammen sein«, murmelte sie.
    Sie biss hastig die Zähne zusammen und richtete sich auf. Mit einer schnellen Bewegung knöpfte sie die Bluse zu. Einen Augenblick lang schaute sie noch zu ihm hinunter, dann wanderte ihr Blick zu seiner Rechten.
    »Nimm sie bald«, murmelte sie und drehte sich um. Er hörte, wie die Tür sich hinter ihr schloss und wie sie zugesperrt wurde. Er schloss die Augen und spürte, wie warme Tränen sich einen Weg unter seinen Lidern bahnten. Leb wohl, Ruth!
    Leb wohl, alles, was das Leben lebenswert macht.
    Plötzlich holte er tief, wenn auch qualvoll Luft. Er setzte sich auf die Hände gestützt auf und weigerte sich, sich von den in seiner Brust explodierenden Schmerzen unterkriegen zu lassen. Mit knirschenden Zähnen stand er auf. Er taumelte, fiel fast, doch dann gewann er sein Gleichgewicht einigermaßen zurück und schleppte sich auf wankenden Beinen, die er kaum spürte, zum Fenster.
    Er drückte die Stirn ans Gitter und schaute hinaus.
    Auf der Straße drängten sich die Menschen im grauen Licht des frühen Morgens. Sie waren in ständiger, unruhiger Bewegung, und ihre Stimmen klangen wie das Rauschen eines Baches, aber auch wie das Summen von Myriaden Insekten.
    Er blickte auf die
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