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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende
Autoren: Richard Matheson
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Bunsenbrenner sterilisierte.
    Er beugte sich vor und küsste sie auf die Wange.
    »Schon gut«, murmelte er wieder. »Es ist schon gut.«
    Sie schloss die Augen, als sie den Nadelstich spürte. Er spürte den Schmerz in seinen eigenen Fingern, während er das Blut herauspresste und auf das Glasplättchen gab.
    »Schon gut«, murmelte er erneut, denn es fiel ihm nichts anderes ein. Er drückte ein Mullfleckchen auf den Einstich in ihrer Fingerspitze und spürte, wie er selbst am ganzen Leib zitterte. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte das Zittern nicht unterdrücken. Er war kaum imstande, den Objektträger zu halten, aber er lächelte Ruth beruhigend zu und versuchte ihr die Furcht zu nehmen.
    »Hab keine Angst«, bat er. »Bitte, hab keine Angst! Ich heile dich, wenn du infiziert bist. Ganz bestimmt, Ruth, ganz bestimmt!«
    Wortlos, mit stumpfen Augen beobachtete sie ihn, während er arbeitete. Ihre Hände zuckten nervös auf ihrem Schoß.
    »Was wirst du tun, wenn ich - wenn ich infiziert bin?«, fragte sie stockend.
    »Ich bin mir noch nicht ganz sicher«, antwortete er. »Aber es gibt eine Menge, das wir tun können.«
    »Was?«
    »Impfen, beispielsweise.«
    »Aber du hast doch selbst gesagt, dass Impfungen nicht helfen.« Ihre Stimme zitterte ganz leicht.
    »Ja, aber ...« Er unterbrach sich, als er das Glasplättchen ins Mikroskop schob.
    »Robert, sei ehrlich, was könntest du denn tun?«
    Sie rutschte vom Hocker, als er sich über das Mikroskop beugte.
    »Bitte, Robert, schau nicht!«, sagte sie plötzlich flehentlich.
    Aber er hatte es bereits gesehen.
    Es war ihm nicht bewusst, dass er den Atem anhielt. Seine glanzlosen Augen trafen ihre.
    »Ruth«, wisperte er erstickt.
    Der Holzhammer krachte auf seine Stirn herab.
    Etwas in seinem Kopf schien zu explodieren, und er spürte, wie ein Bein nachgab. Als er zur Seite stürzte, warf er das Mikroskop um. Sein rechtes Knie schlug auf dem Boden auf. Als er benommen hochblickte, sah er ihr angstverzerrtes Gesicht. Und dann fuhr der Holzhammer ein zweites Mal herab, und er schrie schmerzerfüllt auf. Er sank auf beide Knie, und seine Handflächen prallten auf den Boden, als er vornüberfiel. Aus unendlicher Ferne hörte er ihr verzweifeltes Schluchzen.
    »Ruth«, murmelte er.
    »Ich hab doch gesagt, du sollst nicht nachsehen!«, rief sie.
    Er griff nach ihren Beinen, da schlug sie ein drittes Mal mit dem Holzhammer zu und traf seinen Hinterkopf.
    »Ruth!«
    Schlaff glitten Robert Nevilles Hände von ihren Waden und rieben dabei ein wenig der Bräune ab. Er fiel aufs Gesicht und seine Finger krümmten sich, als ihn die Sinne verließen.

19
    Als er die Augen öffnete, war es völlig still im Haus.
    Eine kurze Weile blieb er verwirrt auf dem Boden liegen, dann setzte er sich mit erstauntem Brummen auf. Sterne explodierten in seinem Schädel. Er sackte aufs Linoleum zurück und presste die Hände gegen die pochenden Schläfen. Ein seltsam klickender Laut entrang sich seiner Kehle.
    Nach ein paar Minuten griff er nach der Kante der Werkbank und zog sich vorsichtig hoch. Der Boden unter ihm schwankte. Hastig schloss er die Augen. Seine Beine drohten nachzugeben, aber er klammerte sich jetzt an die Platte der Werkbank.
    Eine Minute später gelang es ihm, sich ins Badezimmer zu schleppen. Er steckte den Kopf unter das kalte Wasser, dann setzte er sich auf den Badewannenrand und wickelte sich ein nasses Tuch um die Stirn.
    Was war passiert? Er blickte blinzelnd auf den Fliesenboden.
    Schließlich stand er unsicher auf und taumelte ins Wohnzimmer. Es war leer. Die Haustür stand im Grau des frühen Morgens halb offen. Ruth war nicht mehr da.
    Dann erinnerte er sich. Er stützte sich an die Wand und kehrte ins Schlafzimmer zurück.
    Der Brief lag auf der Werkbank neben dem umgeworfenen Mikroskop. Mit fast tauben Fingern hob er das Blatt Papier auf und trug es zum Bett. Stöhnend setzte er sich und hielt den Brief vor die Augen. Aber die Buchstaben verschwammen. Es dauerte, ehe er fähig war, ihn zu lesen.

    Lieber Robert,
    jetzt weißt du es. Weißt, dass ich als Spitzel zu dir kam; weißt, dass fast alles, was ich dir erzählte, Lüge war.
    Aber ich schreibe dir diesen Brief, weil ich dich retten möchte, wenn ich kann.
    Als man mir den Auftrag gab, dich zu bespitzeln, hatte ich kein Mitleid mit dir, denn DU hast meinen Mann getötet!
    Doch jetzt ist es anders, weil ich weiß, dass dir deine Art zu leben genauso aufgezwungen wurde wie uns unsere. Wir SIND infiziert.
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