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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende
Autoren: Richard Matheson
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erinnere mich wieder, als wäre es erst gestern gewesen. Was kann ich tun? Was kann ich tun ?« Er hieb mit der Faust auf die Barplatte, als die unerträgliche Erinnerung ihn übermannte. »Sosehr man es auch versucht, man kommt einfach nicht davon los! Ich versuchte zu vergessen, mich der Gegenwart anzupassen ...«
    Mit bebenden Fingern strich er sein Haar zurück.
    »Ich weiß, wie es in dir aussieht.« Er blickte Ruth mit glanzlosen Augen an. »Anfangs traute ich dir nicht. Ich fühlte mich unantastbar und sicher in meiner eigenen kleinen Welt. Jetzt ...« Er schüttelte langsam, deprimiert den Kopf. »Und mit einem Mal ist alles vorbei: die Gewissheit, sich angepasst zu haben, die Sicherheit, der innere Frieden - alles wie weggewischt!«
    »Robert.«
    Ihre Stimme klang so brüchig und verloren wie seine.
    »Warum hat man uns so bestraft?«, murmelte sie.
    Zitternd atmete er ein.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte er bitter. »Darauf gibt es keine Antwort, es gibt keinen Grund dafür. Es ist eben so.«
    Plötzlich stand sie neben ihm. Ohne zurückzuweichen, ohne zu zögern, drückte er sie an sich - zwei Menschen, die in dieser schrecklichen Einsamkeit, in der Finsternis der Nacht, Trost beim anderen suchten.
    »Robert, Robert !«
    Ihre Hände strichen über seinen Rücken, klammerten sich daran, während er sie noch fester an sich presste und sein Gesicht in ihr warmes weiches Haar drückte.
    Ihre Lippen fanden sich und gaben einander lange nicht frei. Mit verzweifelter Kraft lagen ihre Arme um seinen Hals.
    Dann saßen sie in der Dunkelheit und schmiegten sich aneinander, als wäre alle Wärme der Welt nur in ihren Körpern, um mit dem anderen geteilt zu werden. Er spürte das Heben und Senken ihres Busens an seiner Brust und ihr Gesicht an seinem Hals. Seine große Hand strich unbeholfen über ihr seidiges Haar.
    »Es tut mir so leid, Ruth.«
    »Was denn?«
    »Dass ich so gemein zu dir war, dass ich dir nicht traute.«
    Sie schwieg und schmiegte sich nur noch fester an ihn.
    »O Robert«, murmelte sie schließlich. »Es ist so unfair. So unfair ! Warum leben wir noch? Warum sind wir nicht alle gestorben? Es wäre so viel besser, wenn wir alle tot wären.«
    »Beruhige dich, Kleines.« Alle tot geglaubten und doch nur aufgestauten Gefühle brachen sich Bahn. »Es wird alles gut«, tröstete er sie.
    Er spürte ihr schwaches Kopfschütteln an seinem Hals.
    »Doch«, versicherte er ihr. »Es wird alles gut werden.«
    »Aber wie könnte es?«
    »Alles wird gut werden«, wiederholte er, obgleich ihm plötzlich klar war, dass er es selbst nicht glauben konnte, dass nur der Schwall seiner Gefühle ihn diese Worte hatte formen lassen.
    »Nein«, widersprach sie. »Nein!«
    »Doch, Ruth. Bestimmt!«
    Er wusste nicht, wie lange sie einander umklammert hielten. Er vergaß alles - die Zeit, den Ort. Es gab nur noch sie beide zusammen, sie beide, die einander brauchten, sie beide, die das schreckliche Grauen überlebt hatten und sich umarmten, weil sie sich gefunden hatten.
    Doch dann wollte er etwas für sie tun, wollte ihr helfen.
    »Komm«, forderte er sie auf. »Wir untersuchen dein Blut.«
    Er spürte, wie sie in seinen Armen erstarrte.
    »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er schnell. »Ich bin sicher, dass wir nichts finden werden. Und falls doch, werde ich dich heilen. Ich schwöre es, dass ich dich heilen werde, Ruth.«
    Sie blickte ihn in der Dunkelheit nur stumm an. Er stand auf und zog sie hoch. Er zitterte vor Erregung, einer Erregung, wie er sie seit Jahren nicht mehr gekannt hatte. Er wollte sie heilen, ihr helfen.
    »Komm, lass mich!«, bat er. »Ich tue dir nicht weh, ganz bestimmt nicht, das verspreche ich dir. Aber wir müssen es wissen! Wir müssen sichergehen. Dann können wir planen und Schritte unternehmen. Ich werde dich retten, Ruth. Das werde ich ganz bestimmt. Oder ich werde selbst sterben.«
    Sie war immer noch starr und wehrte sich leicht.
    »Komm mit, Ruth, bitte !«
    Nun, da sie ihm nicht mehr gleichgültig war, hatte ihn seine Kraft verlassen, und er zitterte am ganzen Körper.
    Er führte sie ins Schlafzimmer. Als er im Licht sah, welche Angst sie hatte, zog er sie an sich und streichelte ihr Haar.
    »Ist schon gut«, sagte er zärtlich. »Es ist gut, Ruth. Ganz egal, was wir finden werden, es ist alles gut. Das musst du mir glauben.«
    Er setzte sich auf den Hocker. Ihr Gesicht war eine weiße Maske und sie zuckte unkontrolliert, während er die Injektionsnadel über dem
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