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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende
Autoren: Richard Matheson
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Langsam zog er die Hände an seinen Seiten näher heran. Warum nahm man das Feuer nicht von seiner Brust? Er spürte genau, wie glühende Kohlen durch die Öffnungen in seinem Fleisch fielen. Ein qualvolles, atemloses Ächzen verzerrte seine grauen Lippen, und jetzt hoben sich seine Lider zuckend.
    Reglos starrte er eine volle Minute lang auf die roh verputzte Decke. In schrecklichem, verkrampfendem Rhythmus schwoll der Schmerz in seiner Brust an und ab. Sein angespanntes Gesicht versuchte ihn maskenhaft zu verbergen, denn wenn er sich auch nur eine Sekunde lang entspannte, überschwemmte er ihn wie eine Sturzflut. Er musste dagegen ankämpfen! Die ersten paar Minuten konnte er sich nur unkonzentriert dagegen wehren, und die brennenden Dolchstiche waren schier unerträglich. Doch nach einer Weile begann sein Gehirn wieder zu funktionieren, wenn auch anfangs bloß wie ein stockender Motor, der immer wieder kurz anspringt, nur um gleich wieder keuchend zu ersterben.
    Wo bin ich?, war sein erster vernünftiger Gedanke. Der Schmerz war grauenvoll. Er blickte auf seine Brust. Sie war mit einem breiten Verband umwickelt. Ein großer feuchter roter Fleck hob und senkte sich ruckartig in seiner Mitte. Neville schloss die Augen und schluckte. Ich bin verwundet, dachte er, schwer verletzt. Mund und Kehle fühlten sich pulvertrocken an. Wo bin ich ...
    Dann erinnerte er sich an die schwarz gekleideten Männer und den Angriff auf sein Haus. So wusste er auch, wo er war, noch ehe er den Kopf langsam und schmerzhaft drehte und die Gitterfenster auf der anderen Seite der winzigen Zelle sah. Eine lange Weile starrte er mit angespanntem Gesicht und zusammengebissenen Zähnen auf die Fenster. Dieser seltsame raschelnde, rauschende Geräuschbrei kam von draußen.
    Er rollte den Kopf wieder herum und blickte erneut zur Decke hoch. Es war schwer, seine Lage zu sehen, wie sie war; schwer zu glauben, dass das Ganze nicht ein Albtraum war. Mehr als drei Jahre hatte er allein in seinem Haus gelebt. Und jetzt das!
    Aber an dem stechenden, wechselnden Schmerz in seiner Brust ließ sich nicht zweifeln, und auch nicht an der Tatsache, dass der feuchte rote Fleck auf dem Verband immer größer wurde. Er schloss die Augen. Ich werde sterben, dachte er.
    Er versuchte, es zu verstehen, doch auch das gelang ihm nicht. Obwohl er all diese Jahre mit dem Tod gelebt hatte, obwohl er wie ein Seiltänzer auf dem Drahtseil vegetierender Existenz über dem endlosen Rachen des Todes balanciert war, konnte er es nicht begreifen. Der eigene Tod ging über seinen Verstand.
    Er lag reglos auf dem Rücken, als sich die Tür hinter ihm öffnete.
    Er konnte sich nicht umdrehen, dazu waren die Schmerzen zu groß. So vermochte er nur den Schritten zu lauschen, die sich dem Bett näherten und aufhörten. Er blickte hoch, aber der, der sie verursacht hatte, war noch nicht in seinem Blickfeld. Mein Henker, dachte er, die strafende Gerechtigkeit dieser neuen Gesellschaft. Er schloss die Augen wieder und wartete.
    Erneut bewegten sich die Schuhe. Er wusste, dass sein Besucher jetzt direkt neben dem Bett stand. Er wollte schlucken, doch dazu war seine Kehle viel zu trocken. Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Hast du Durst?«
    Mit stumpfen Augen blickte er hoch, und plötzlich begann sein Herz heftig zu pochen. Der beschleunigte Zustrom des Blutes ließ den Schmerz noch stärker aufwallen, und einen Moment lang überwältigte er ihn. Er vermochte das grauenvolle Ächzen nicht zu unterdrücken. Er wälzte den Kopf auf dem Kissen, stieß die Zähne in die Lippen und krallte die Finger in die Bettdecke. Der rote Fleck wuchs.
    Sie kniete nun neben ihm auf dem Boden, wischte ihm den Schweiß von der Stirn und betupfte vorsichtig die Lippen mit einem kühlen feuchten Tuch. Langsam ließ der Schmerz nach, und allmählich lösten sich die Schleier vor den Augen, und er konnte ihr Gesicht ganz klar sehen. Reglos blieb er liegen und schaute sie an.
    »So«, murmelte er schließlich.
    Sie schwieg, aber sie erhob sich und setzte sich auf die Bettkante. Wieder fuhr sie ihm sanft mit dem Tuch über die Stirn. Dann griff sie über seinen Kopf, und er hörte, dass sie Flüssigkeit in ein Gefäß goss.
    Glühende Messer stachen in ihn, als sie seinen Kopf ein wenig hob, damit er trinken konnte. Etwas Ähnliches müssen sie gespürt haben, als die Piken in ihre Leiber drangen, dachte er unwillkürlich. Dieser schneidende brennende Schmerz, dieses Entweichen des Herzbluts.
    Sein
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