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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern
Autoren: Anke Willers
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ist gut. Denn bereits im letzten Winter sorgte sich meine Familie um meine Mundwinkel: Familienalltagsgeschichten sind ja nicht automatisch lustig – nur weil sie Familienalltagsgeschichten sind. Ich meine, was ist schon lustig daran, wenn eine Fünfjährige innerhalb von zwei Jahren dreimal an der gleichen Stelle genäht werden muss und die zuständige Chirurgin das schreiende Kind mit dem Satz empfängt: »Mensch, Jette, schon wieder dasselbe Kinn, wo soll ich denn da noch hinstechen?«
    Was ist lustig daran, wenn man nachmittags mit einer wenig motivierten Achtjährigen über der Frage grübelt, wie viele rote Gummibärchen Franz, Otto und Kurt kriegen, wenn sie alle gleich viel haben sollen, Lisa aber 12 weniger – und 148 alle zusammen???

    Oder wenn man morgens in der Dusche steht und die Kinder rufen muss, weil man ohne Brille nicht mehr lesen kann, ob man sich gerade Shampoo oder Läuse-Tod auf den Kopf tropft.
    Nein, so richtig lustig finde ich das alles nicht.
    Und wenn ich etwas nicht lustig finde, werde ich streng: Ich sage: »Mensch, Jette, was bist du bloß für ein Kamikaze-Kind« und vergesse fast, sie zu trösten. Oder ich entwickle Hassgefühle gegenüber Mathebuchmachern und sage: »148 rote Gummibärchen? Die spinnen doch: Jeder weiß, dass die weißen viel besser sind. Und Kurt, wer nennt sein Kind heute eigentlich noch Kurt?«
    Dann kriege ich einen missmutigen Zug um den Mund. Meine Kinder mögen diesen Zug nicht. Sie sagen, er mache alt. Und im letzten sehr kalten und sehr strengen Winter hatten sie beinahe Angst, er würde festfrieren.
    Natürlich könnte ich jetzt bei den Damen und Herren von der plastischen Chirurgie nachfragen, was man gegen diese Art von Gefrierbrand machen kann: Botox, Hyaluronsäure, Facelifting…??
    Aber ich habe eine bessere und billigere Idee: Ich gönne mir mal wieder einen Perspektivenwechsel. Und das kann ich am besten, wenn ich meine Alltagsgeschichten mit etwas Abstand betrachte.
    Aus der Ferne sehe ich das große Ganze nämlich viel besser als aus der Nähe und ich entdecke auch eher die komischen Seiten hinter dem Chaos. Das ist so ähnlich
wie bei den Wimmelbüchern. Sie wissen schon, diese Bilderbücher, die auf einer Doppelseite den halben Nordseestrand unterbringen inklusive Nudisten-Kolonie. Oder komplette Straßenzüge mit Häusern, in die man reingucken kann und in denen Kinder in unaufgeräumten Kinderzimmern ihren Hausschlüssel nicht finden. Oder ganze landwirtschaftliche Betriebe.
    Apropos: Ich glaube, im hintersten Regal meines Fundbüros gibt es noch so ein altes Bauernhofwimmelbuch: Da sieht man auf Seite 12 in der linken unteren Ecke eine hübsche Landwirtschaftsassistentin, die ein Erdbeereis isst und sparsam guckt, weil sie plötzlich nur noch die Waffel in der Hand hat. Wenn man den Blick wandern lässt, dann sieht man hinter der hübschen Landwirtschaftsassistentin aber auch den Esel, der von hinten beim Eis mitgegessen hat und den Bauern, der vor Lachen die Schaufel fallen lässt und aussieht als hieße er Willi. Das macht die Sache deutlich amüsanter!
    Also, wenn Sie auch einen Familienalltag haben und Geschichten, bei denen Sie sich öfter mal fühlen als hätten sie nichts in der Waffel, dann versuchen Sie es: Knipsen Sie den Panoramablick an!
    Was, Sie sehen nichts? Keinen Esel, kein Eis, und keinen Willi?
    Dann besuchen Sie mich doch mal in meinem Fundbüro: Es hat ab sofort durchgehend geöffnet. Auf den nächsten Seiten zeige Ihnen all meine Fundstücke und bitte: Nehmen Sie doch was mit!

Mein Medium und ich
    Schon klar: Zu viel Fernsehen macht Kinder dick und doof. Und auch erwachsene Sofakartoffeln leben nicht gerade gesund. Für mich hat der Fernseher trotzdem gewisse Vorzüge.

    Kürzlich kam mein Kollege zu mir ins Zimmer. Und sagte: »Anke, du musst unbedingt in deiner Kolumne mal was übers Fernsehen schreiben: Wie viel deine Kinder fernsehen, was sie sehen dürfen. Wie ihr das aushandelt! Ist immer wieder ein großes Thema!« »Bei uns nicht«, sagte ich, »meine Kinder gucken nicht fern.« Mein Kollege guckte sparsam: »Wie, die gucken nicht fern?« »Es interessiert sie nicht«, erklärte ich das Ungeheuerliche. Und dann erzählte ich, wie ich mich in den Weihnachtsferien tagelang darauf gefreut hatte, mit meiner Familie »Michel von Lönneberga« zu gucken. Wir waren extra etwas früher vom Schlittschuhlaufen gekommen, damit wir pünktlich um 16 Uhr auf dem Kathulthof sein konnten und mitkriegten, wie Michel
den
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