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Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern

Titel: Ich bin ein Fundbüro - mein Alltag mit Kindern
Autoren: Anke Willers
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blutvergifteten Knecht Alfred bei Schneesturm zum Doktor brachte …

    Doch schon um 16 Uhr 10 saß ich allein vor der Glotze: Jochen las im Nebenraum. Und die Kinder hatten die Gunst der Stunde genutzt, um sich im Kinderzimmer unbemerkt über ein Pfund Spekulatius herzumachen! »So ist das immer«, sagte ich. »Aha«, sagte mein Kollege, und wahrscheinlich dachte er: »Normal sind die nicht.« Trotzdem mache ich mir keine Sorgen. Denn soweit ich weiß, gibt es bisher keine warnenden Untersuchungen, die »Wenn Kinder nicht fernsehen wollen« heißen. Oder »Das Vorschulkind und seine medialen Abneigungen«.
    Außerdem ist klar: Von mir haben die Mädchen dieses auffällige Verhalten nicht. Ich gucke nämlich ganz gern fern. Ich würde sogar sagen, seit ich Mutter bin,
weiß ich die Glotze mehr zu schätzen als vorher. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass eine verzweifelte Hausfrau, die wie ich abends um neun vor einem riesigen Berg Wäsche steht, Trost und Zuspruch findet, wenn sie anderen verzweifelten Hausfrauen bei ihrem undurchsichtigen Treiben zuschauen kann. Nein, es gibt noch weitere Gründe:

Erstens: Fernsehen hilft beim Kinderkriegen!
    Das erste Mal als ich der Glotze wirklich dankbar war, war am 5. Juli 2000 gegen 22 Uhr. Ich dankte der Glotze und Veronica Ferres, die gerade im Abspann der ungewissen Zukunft »einer ungehorsamen Frau« ins Auge blickte. Ich hatte auch eine ungewisse Zukunft. Ich war nämlich im zehnten Monat schwanger, also eine Woche über dem Termin. Und inzwischen ziemlich genervt von meinem Leben in der Warteschleife.
    Clara sollte endlich kommen, ich wollte es hinter mich bringen. Seit Wochen schon hatte ich in mich hineingehorcht. Und nichts war passiert. Doch dann kam der große Zweiteiler. Und Frau Ferres mitsamt ihrem ungehorsamen Leben traf auf meine schwangere Mimosenseele. Beim Abspann musste ich heulen. Und weil beim Heulen immer auch eine Menge Hormone ausgeschüttet werden, war wohl auch das eine oder andere Prostaglandin dabei. Jedenfalls kam da plötzlich etwas angerollt, was sich verdächtig anfühlte. Sehr verdächtig.
Ja, das musste sie sein, die erste Wehe. Fortan folgten weitere. Wie viele es am Ende waren, habe ich dann irgendwie verdrängt. Man könnte auch sagen: Ich hatte einen Filmriss! Was ich allerdings sehr genau weiß: Zwölf Stunden nach Frau Ferres’ Abspann hatte ich keine ungewisse Zukunft mehr vor Augen. Sondern eine sehr präsente Gegenwart im Arm: Clara, 6 Pfund schwer, 51 Zentimeter lang und stimmlich überaus stark!

Zweitens: Fernsehen geht ganz einfach!
    Ich bin technisch und handwerklich nur mäßig begabt. Auch deshalb kommt mir fernsehen entgegen. Ist nicht gerade Stromausfall (sehr selten) und die Fernbedienung weg (etwas häufiger), muss ich nichts anderes tun, als auf den roten Knopf zu drücken und den richtigen Kanal zu suchen. Fertig! Ganz andere Erfahrungen habe ich mit DVD-Playern gemacht. Dieses Jahr wollte ich Jochen einen DVD-Player zu Weihnachten schenken. Unser altes VHS-Videogerät hatte nämlich schon vor Jahren den Geist aufgegeben, weil Jette als Einjährige wiederholt versucht hatte, Schokoladentafeln in den Schlitz zu schieben. Irgendeine Vollmilch-Nuss war unbemerkt dringeblieben, und die Schokosauce hatte dem alterschwachen Gerät den Rest gegeben. Mit einem neuen DVD-Player, dachte ich, kann Jochen endlich wieder Miss-Marple-Filme schauen. Und alte Hitchcocks. Und sollten die Kinder doch irgendwann süchtig
nach bewegten Bildern werden, so könnten wir die Filme selber aussuchen.
    Doch der Stress fing schon im Laden an: »Scart, Cinch, koaxial – was bitte heißt das auf Deutsch«, fragte ich den gepiercten Verkäufer, der meine multimediale Verwirrung mit einem mitleidigen Blick quittierte.
    Zu Hause wurde es nicht besser: Ich hatte mir gedacht, ich wollte Jochen Heiligabend mit einem fertig installierten Gerät überraschen: Licht aus, Spot an, welcome, Miss Marple! Ich hatte allerdings nicht bedacht, dass ich dafür eine Bedienungsanleitung brauche und dass Bedienungsanleitungen von DVD-Playern noch deprimierender sind als die vernichtenden Blicke gepiercter Verkäufer im Elektrogroßhandel. Mein DVD-Player jedenfalls setzte mich penetrant auf dem Display davon in Kenntnis, dass er »no disc« habe – und das, obwohl ich ihm schon verschiedene Miss-Marple-Morde angeboten hatte. »Mama«, fragte Clara, die mir beim DVD-Player-Anschließen assistierte, indem sie mit dem Verpackungsstyropor rumquietschte, »was
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