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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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das Leid zu verstehen – so bleibt den Menschen keine andere Möglichkeit, als sich voller Verzweiflung dem Schicksal zu ergeben.
    Leid macht dem Menschen bewusst, wie einsam er sein kann. In dieser Erfahrung liegt zugleich der Schlüssel, wie ein Mensch auch schweres Leid aushalten kann: Er muss es teilen. Mit-Leid mit dem anderen ist die einzige Möglichkeit, wie man das Leid ertragen kann. »Einer trage des anderen Last«, sagte Jesus.
    Leid teilen im Gespräch, im Schweigen, im Gebet, im Handeln, einfach da zu sein für den anderen – es gibt viele Formen des Mit-Leidens. Um Leid mitzutragen, braucht man
eine besondere Stabilität – weniger die Kraft der Starken, sondern die Erfahrung der scheinbar »Schwachen«, die selbst schon Leid erlebt haben. Deren Solidarität mit dem Leidenden macht ihre Schwäche kostbar.
    Reden übers Sterben – und die Angst vor dem Tod
    Ans Sterben denke ich nicht, das kommt eh von selbst. Momentan geht es mir nicht gut, weil ich zeitweise wenig Luft bekomme. Ich war schon ein paar Jahre nicht mehr beim Doktor – und wie ich jetzt bei ihm war, hat er gezwinkert und gesagt: »Ja, wovon soll denn der Doktor leben … ?«
    Lindenwirtin Josefine Wagner
    Sterben ist das letzte Leid, das der Mensch in seinem Leben erfährt. Dieser Konfrontation mit dem Tod weichen viele aus. Vielleicht glauben sie, dass es wenig Sinn macht, sich mit seinem Tod und Sterben ehrlich auseinanderzusetzen oder darüber gar offen mit jemandem zu sprechen – was bringt es schon, über eine ausweglose Situation noch lange zu diskutieren? Wenn ein Mensch mit dieser Einstellung zufrieden ist, muss er sich für die Zukunft wahrscheinlich keine Gedanken mehr machen. Aber es ist schwer vorstellbar, dass ihm so eine Haltung im Leben Kraft und Einsicht, Freude und Sinn gibt.
    Ein Gespräch über den Tod bedeutet, dass der Mensch über eine Perspektive nachdenkt. Nur mit dem Verstand ist die Ungewissheit, was nach dem Tod geschieht, nicht zu klären. Die Wissenschaft sagt uns allerdings, dass Energie – und jeder Mensch ist voller Lebensenergie, in ihm wirken in Atomen und Molekülen vielfache Kräfte – nicht verloren geht, sondern höchstens umgewandelt werden kann. Wohin also mit der ganzen Energie, wenn der Tod eintritt?
    Die Religionen bieten dazu unterschiedliche Szenarios an, die jeweils auf dem Glauben an eine Transzendenz gründen. Diese Perspektive gibt dem Menschen Hoffnung, sodass ein Gespräch übers Sterben getragen ist von der Zuversicht, dass der Tod nicht
ein endgültiges Aus ist, sondern der Übergang in eine andere Dimension, die wir mit unseren irdischen Sinnen allerdings nicht begreifen können.
    Die Beschäftigung mit dem Tod ist eine Auseinandersetzung mit Bildern: vom Himmel und von der Hölle, vom Paradies, vom Nirwana. Jeder Mensch hat vermutlich seine ganz eigene Vorstellung, wie es nach dem Tod weitergehen soll, aber kaum jemand wird sich die Hölle wünschen. Deshalb ist es verständlich, dass sich ein Mensch schon im irdischen Leben nach dem Paradies sehnt. Dementsprechend wird er sein gegenwärtiges Leben gestalten – und einen Höllen-Trip vermeiden! Wer sich wünscht, dass er nach dem Tod ins Paradies eingeht, wird sein Denken und Handeln auf Erden an dieser Perspektive ausrichten und eine Grundhaltung entwickeln, die seiner Seele und seinem Körper guttut. In dieser Hinsicht wird das Reden über den Tod – so paradox es vielleicht klingen mag – zum Reden über die Freude und über ein gutes Leben. Darum ist die Auseinandersetzung mit dem Tod nicht nur im Alter sinnvoll, sondern schon lange vorher, weil daraus eine Zuversicht erwächst, die dem Menschen die Angst vor dem Sterben nimmt.
    Die meisten Menschen haben wahrscheinlich nicht Angst vor dem Tod, sondern fürchten sich vor dem Sterbeprozess. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen am Ende umso schwerer »loslassen« können, je stärker sie sich schon früher immer an die Äußerlichkeiten des Lebens geklammert haben. Sie sind bis zuletzt davon überzeugt, dass ihr jetziges Leben trotz der bescheidenen Rente und der erträglichen Belastungen immer noch sicherer und besser ist als die totale Ungewissheit, die nach dem Tod kommt. Und wer seine gesamte Lebensgestaltung stets darauf ausgerichtet hat, sich das Paradies schon auf Erden zu schaffen, der sieht im Jenseits keine Erfüllung mehr – er wird im Sterben nur schwer loslassen.

    Die »Paradies-Bilder« machen es dem Menschen oft leichter, sich von der irdischen Welt zu
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