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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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lösen. Dann können Krankheit und Leid am Lebensende sogar hilfreich sein. Denn wenn der Mensch die Schwelle vom Leben zum Tod überschreitet, lässt er ja auch die Schmerzen zurück, die ihn quälen – vielleicht in der Zuversicht, dass es »drüben« keine Mühsal mehr gibt. Das bedeutet natürlich nicht, dass man sich diesen Schmerzen bewusst aussetzen soll und auf die sinnvollen Behandlungen der Palliativmedizin verzichtet.
    Thomas und sein »Golden Goal«
    Vor einiger Zeit kamen Eltern mit ihrem neunjährigen Sohn Thomas ins Kloster, weil das Kind schwer krank war und eine »psychotherapeutische« Betreuung brauchte. Der Junge war ein halbes Jahr vorher beim Fußballspielen zusammengebrochen – die ärztliche Untersuchung diagnostizierte einen irreparablen Herzfehler. Es gab keine Chance, das Leiden operativ oder mit Medikamenten zu heilen. Die Eltern wussten, dass Thomas sterbenskrank war. In dieser Not kamen sie ins Kloster und wollten mit einem Mönch, der auch Psychotherapeut war, über die schwierige Situation sprechen.
    Der Mönch vereinbarte mit den Eltern, dass sie ihren Sohn zweimal wöchentlich zu ihm ins Kloster schickten, damit er sich mit dem Kind unterhalten konnte. Bei einem dieser Gespräche fragte der Junge, der offenbar die Unheilbarkeit seines Herzfehlers spürte: »Wie schaut es denn im Himmel aus?« Der Mönch war zuerst fast hilflos. Wie sollte er diesem Kind erklären, was Sterben bedeutet – und was ewiges Leben ist? Er konnte dem Neunjährigen ja keine theologische Interpretation
des Himmels geben oder ihm den Unterschied von biologischem Tod und Weiterleben der Seele erklären oder ihn einfach vertrösten. Deshalb bat der Mönch den Buben: »Sag mir einmal einen Augenblick in deinem Leben, an dem du sehr glücklich gewesen bist – wie im Himmel. Hast du irgendwann so etwas erlebt?«
    Der Junge dachte nach und antwortete dann: »Ja, das habe ich erlebt. Ich habe einmal bei einem Fußballspiel ein Tor geschossen – das war das Siegestor. Alle haben mich umarmt und ich war glücklich. Ich habe mich gefühlt wie im Himmel.« »Siehst du«, sagte der Mönch, »genauso ist es im Himmel – und genauso ist der Tod. Das wirst du erleben, wenn du stirbst. Da trittst du im richtigen Augenblick gegen den Ball und der fliegt genau dorthin, wo er sein soll, und du weißt, dass du alles richtig gemacht hast. Und Himmel bedeutet, dass dieser Augenblick für immer bleibt.«
    Der Junge schaute den Mönch an. »Jetzt brauche ich keine Angst mehr zu haben«, lächelte er, »ich schieße mein Siegestor. Wenn das so ist, wie du sagst, dann möchte ich in den Himmel.«
    Drei Wochen später starb der Junge. Er hatte seine Angst überwunden.
    Zurück blieben die Eltern in ihrer Verzweiflung. Sie gingen ins Kloster, um den Verlust des Kindes aufzuarbeiten. In vielen Gesprächen erzählte ihnen der Mönch von seinen Erfahrungen mit dem Kind – und vom »Golden Goal«, das für den Buben ein Blick in den Himmel war. So konnten sie allmählich ihren Schmerz verwandeln, weil sie spürten, dass ihr Kind, obwohl es so früh gestorben ist, ein vollendetes Leben hatte.
    Der Mensch und seine Gottesbeziehung
    Das Wichtigste ist, dass die Mutter dem Kind beten lernt, denn Beten brauchen die Menschen im Leben immer – wenn sie glücklich sind und, noch viel mehr, wenn sie unglücklich sind. Dann suchen sie Gott. Und wenn sie das in der Kinderstube nicht beigebracht kriegen, dann ist es schlecht, weil sie keinen Halt haben. Es gibt im Leben Situationen, in denen viele meinen, jetzt geht es nicht mehr. Wenn sie aber an Gott glauben und an die Menschen, dann geht es weiter. Denn morgen kann alles schon anders sein. Was einen Menschen heute unglücklich macht, ist vielleicht morgen schon wieder gut – da darf man nicht verzweifeln. Wie oft wird in der Unvernunft und im Unrecht geschimpft oder etwas getan – doch das erzeugt noch mehr Wunden. Man muss das Problem verarbeiten – und dann durch!
    Lindenwirtin Josefine Wagner
    Gott wird häufig für ein weit entferntes Wesen gehalten, das irgendwann einmal im Universum das Staubkorn Erde schuf – und danach alles sich selbst überlassen hat. Viele sehen in der Schöpfung keinen göttlichen Plan. Für manch andere ist Gott ein Übervater, der die Menschen gängelt und wie ein Moralapostel ihre gute Taten lobt und die Sünden bestraft.
    Dieses Denken zeigt, dass man Gott »vermenschlicht« hat. Mit dem Verstand versuchen wir, uns ein Bild von Gott zu machen, aber als
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