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Ich bin dann mal alt

Ich bin dann mal alt

Titel: Ich bin dann mal alt
Autoren: Johannes Pausch , Gert Boehm
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drückt die Diskussionswut nur aus, dass man sich ums konkrete Handeln drücken will.
    Die Wortschwemme kann zurückgedrängt werden durch Tun, durch Zeichen, durch beispielhaftes Verhalten, durch kluges Abwägen und entschlossenes Anpacken. Wenn ein Thema erschöpft ist, muss Schluss sein mit dem Herumschwadronieren. Dann ist es Zeit zu handeln, Verantwortung zu übernehmen oder eine Entscheidung bewusst zu vertagen.
    Kinder quengeln gerne, wenn sie abends ins Bett gehen sollen. Es gibt oft langes Bitten und Betteln – die Kleinen wollen noch fünf Minuten aufbleiben, dann noch einmal fünf Minuten und schließlich noch zwei Minuten. Da haben lange Diskussionen wenig Sinn. Zu einem bestimmten Zeitpunkt muss
die Mutter abbrechen und klar entscheiden, dass jetzt Schluss ist. In der Regel des heiligen Benedikt heißt es, dass der Abt mehr durch sein authentisches Leben, durch sein Beispiel und sein Handeln überzeugen soll als durch seine Worte.
    Mit sich und dem Leben Frieden schließen
    Früher habe ich am liebsten Romane gelesen, vor allem Liebesromane – immer, immer, immer. Wenn ich eine Minute frei hatte, habe ich gelesen. Jetzt hab ich mir das Lesen abgewöhnt, weil ich immer einschlafe. Ich lese eine Seite – und dann weiß ich nicht mehr, was war.
    Lindenwirtin Josefine Wagner
    Frieden zu schließen mit sich und mit den Ereignissen des Lebens, ist eine Fähigkeit, deren Bedeutung viele Menschen unterschätzen. Wenn ein Vorgang gut ausgegangen ist, fällt es leicht, ihn abzuschließen – sehr viel schwieriger ist es, Situationen in Frieden zu beenden, an die man schlechte Erinnerungen hat. Einem Soldaten wird es nicht leichtfallen, seine Kriegserlebnisse bewusst abzuschließen, ohne sie nur zu verdrängen – und mancher Erbstreit hinterlässt jahrelang bittere Spuren, wenn sich einige Erben ungerecht behandelt fühlen. Solche ungelösten Auseinandersetzungen in Frieden zu beenden, erfordert von den Betroffenen eine Grundhaltung, die getragen ist von Vergebung und Versöhnung.
    Die meisten Menschen schleppen ihre Probleme ein Leben lang mit sich herum. Dabei geht es nicht nur um andere, sondern häufig um einen selbst. Wer ständig mit sich unzufrieden war und sich seine Fehler dauernd vor Augen führt, verbittert mit seinen Selbstzweifeln das eigene Leben. Spätestens im Alter ist es höchste Zeit, mit den offenen Baustellen seines Lebens Frieden zu schließen. Das bedeutet nicht, dass man alle Probleme lösen muss – viele Ereignisse aus der Vergangenheit können nicht mehr geändert werden. Wenn ein Kind vom Vater ungerecht behandelt wurde, ist ein Aufarbeiten in der Gegenwart wahrscheinlich gar nicht möglich, weil der Vater längst tot ist. Dann
bleibt nur die Bereitschaft, ihm zu verzeihen, zu vergeben – und damit den Fall endgültig zu beenden. Nur so kann die Bitterkeit über das erlittene Unrecht aus dem Bewusstsein verschwinden, sonst taucht sie in Abständen immer wieder auf und verletzt stets aufs Neue. Vielleicht kann man einen Schlussstrich leichter ziehen, wenn man das Grab des Vaters aufsucht und ihm dort vergibt. Andere holen sich ihren ungelösten Konflikt bewusst ins Gedächtnis und verzeihen, ohne dass sie dazu einen besonderen Schritt tun oder ein Ritual anwenden. Manchmal ist es auch hilfreich, dass man sich den belastenden Vorgang aufschreibt – und das Papier verbrennt. Oder der Mensch erzählt die ganze Geschichte jemandem, dem er vertraut; denn auch mit einem Gespräch lassen sich alte Probleme endgültig abschließen.
    Frieden machen heißt nicht, etwas zu beschönigen, zu verharmlosen oder zu verdrängen, sondern loszulassen. Diese »Seelenhygiene« kann jeder erlernen, er muss sie nur einüben. Die tägliche Versöhnung ist notwendig, weil – so sagt der heilige Benedikt in seiner 1500 Jahre alten Ordensregel – »es Ärgernisse gibt, die wie Dornen verletzen«. Leider sind viele Menschen auch im Alter nicht bereit, sich zu versöhnen und zu verzeihen. Sie wollen ihre »Kampfplätze« nicht aufgeben und nehmen in Kauf, dass sie in Unfrieden leben. Aber nie endende Schuldzuweisungen oder die scheinbar ewig auftauchende Ungerechtigkeit – was sich trotz aller Bemühungen nicht verändern lässt, kann nur beendet werden durch Vergeben. Kein Deutscher kann den Wahnsinn, den die Nazis an den Juden begangen haben, je wiedergutmachen. Es bleibt ihm nur die ständige Einübung einer inneren Grundhaltung, dass er alles tun wird, um solche Gräuel künftig zu verhindern – und die
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