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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld
Autoren: Eva Völler
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nicht auf den Plan zu rufen, denn das hätte ich in dem Augenblick nicht auch noch ertragen. Die Hand vor den Mund gepresst und blind vor Tränen, stolperte ich ins Bad, schloss hinter mir ab und suchte in Doros Medizinschränkchen nach etwas, womit ich meinem Leben ein schnelles, schmerzloses Ende bereiten konnte. In dem Moment war mir wirklich alles egal. Ich wollte nicht mehr auf der Welt sein. Nach hektischem Wühlen fand ich eine Packung, auf der – ich konnte es durch den Tränenschleier nicht richtig erkennen – irgendwas von Beruhigungsmittel stand. Ich schluckte alle zwölf Pillen, die noch drin waren, spülte mit Wasser nach, wusch mir das Gesicht und atmete tief durch.
    Während ich auf das Einsetzen der Wirkung wartete, las ich die Gebrauchsanweisung, aus der hervorging, dass ich gerade eine Tagesdosis Baldrian zu mir genommen hatte. Immerhin wirkte das Zeug tadellos. Zum ersten Mal seit einer Woche schlief ich wie ein Stein, sogar zwölf Stunden, einmal rund um die Uhr. Und als ich aufwachte, lag das Schlimmste hinter mir. Es war entschieden – ich würde nicht mehr zurückblicken, sondern von vorn anfangen. Ich würde ein neues Blatt aufschlagen. Neue Wohnung, neuer Job, neues Leben. Irgendwie würde ich es schon packen. Nur einen Fehler würde ich bestimmt niemals wieder begehen – auf einen Kerl hereinzufallen. Männer würde ich künftig nie näher als drei Schritte an mich heranlassen. Wenn ich das beherzigte, würde sich alles andere schon wieder von allein einrenken und ich ein problemfreies, ruhiges, zufriedenes Leben führen. Dachte ich.
*
    »Genau, da sind Sie bei mir richtig«, sagte der sechste Makler, den ich anrief. »Nein, die Wohnung ist noch nicht vergeben.«
    Ich atmete unauffällig aus. Das war die erste von den inserierten Zweizimmerwohnungen, die sich nicht schon andere vor mir gekrallt hatten.
    2 Zi., 75 qm, 620,– mtl. + 150,– NK, EBK, Bad, ZH, sofort frei – genau das, was ich brauchte und mir gerade noch leisten konnte. Die 2,14 Monatsmieten an Maklercourtage waren nicht so erfreulich, aber für weniger war praktisch keine Mietwohnung zu haben, so viel wusste ich bereits von Doro, die schon etliche Wohnungssuchen hinter sich hatte.
    »Ganz gefragte Wohnlage in Bornheim«, fuhr der Makler fort. »Die Berger Straße ist praktisch um die Ecke.«
    »Super«, sagte ich erfreut.
    »Die Wohnung soll an eine ruhige, möglichst weibliche Einzelperson vermietet werden, ungebunden, zwischen fünfundvierzig und fünfundfünfzig.«
    Das fand ich ein wenig seltsam, aber dann wurde mir klar, was dahintersteckte: Jüngere Frauen konnten sich Nachwuchs zulegen, der dann spielenderweise die Wohnung verwüsten und Lärm veranstalten konnte, und ältere Frauen … Ja, was war mit denen? Waren sie als Mieter vielleicht schwerer loszuwerden als andere? Egal, ich erfüllte die Voraussetzungen, das war die Hauptsache.
    »Ich bin eine ruhige weibliche Einzelperson und fast fünfzig«, sagte ich eifrig. »Und Single.«
    »Hört sich an, als würden wir rasch zusammenkommen«, meinte der Makler.
    »Welches Stockwerk?«, zischte Doro im Hintergrund. Sie hatte darauf bestanden, auf Lautsprecher zu schalten, damit sie mithören und mich auf Fallstricke bei dem Angebot hinweisen konnte.
    »Welches Stockwerk?«, fragte ich den Makler, während ich Doro leicht entnervt anblickte. Ich traute mir durchaus zu, das hier allein zu schaffen, doch davon hatte sie nichts wissen wollen.
    »Vierter Stock«, sagte der Makler.
    »Ah. Okay.«
    »Aufzug?«, zischte Doro, bevor ich mir selbst die nächste Frage überlegen konnte.
    Ich verdrehte die Augen. »Gibt es einen Aufzug?«
    »Hm, nein.« Eilig fügte der Makler hinzu: »Aber dafür gibt es etwas, das aus der Anzeige nicht hervorgeht, nämlich einen dritten Raum in der Wohnung. Er ist zwar klein, kann aber ohne Weiteres als zusätzlicher Schlafraum genutzt werden. Außerdem ist ein Garten hinterm Haus, sogar mit altem Baumbestand.«
    »Das klingt sehr gut«, sagte ich. Die nächste Frage wollte ich selbst stellen. »Was heißt ZH?«, fragte ich.
    »Zentralheizung«, sagte der Makler.
    Doro schlug sich vor die Stirn und machte ihr Wie-kann-ein-Mensch-nur-so-blöd-sein-Gesicht. »Baujahr?«, zischte sie dann.
    Ich drehte mich von ihr weg. »Und EBK? Was heißt das?«
    »Einbauküche«, sagte der Makler verbindlich. »Das heißt, es ist eine drin, und Sie müssen sich keine anschaffen.«
    Das war für mich ein schlagendes Argument. Wenn ich mir keine Küche kaufen
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