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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld
Autoren: Eva Völler
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überhaupt. Sie hat mir nicht nur ihr Sofa geliehen, sondern auch ein offenes Ohr, wann immer ich es nötig hatte, also praktisch rund um die Uhr.
    »Heul dich aus«, sagte sie mitfühlend, und dann wartete sie geduldig, bis mein Schluchzen verebbt war.
    »Geht es wieder?«, fragte sie.
    Ich murmelte irgendwas, und sie strich mir noch einmal über den Kopf und ging ins Bad. Sie machte dabei nicht ganz so viel Lärm wie Dirk, aber dafür brauchte sie länger, weil sie sich noch frisch machte. Das konnte nur eins bedeuten. Und tatsächlich, kaum war sie wieder in ihrem Schlafzimmer verschwunden, setzten auch schon wieder eindeutige Geräusche ein. Runde zwei mit Dirk.
    Inzwischen war mir klar, was Doro neulich gemeint hatte, als sie frisch verliebt erzählt hatte, Dirk könne die ganze Nacht. Ich hatte angenommen, dass sie maßlos übertrieb – aber Dirk war offenbar wirklich mit unerschöpflicher Potenz ausgestattet. Bis jetzt hatte es noch keine Nacht gegeben, in der er das nicht mehrfach unter Beweis gestellt hatte.
    Ich versuchte, wieder einzuschlafen, aber es ging nicht. Stattdessen dachte ich an die andere Person, die daran schuld war, dass ich auf diesem Sofa lag – Klaus.
*
    Damals, vor knapp zwei Jahren, hatte es mit uns beiden wirklich verheißungsvoll angefangen.
    Wahnsinn, was für ein Mann! Strahlende Augen, dunkelblondes, leicht verwuscheltes, an den Schläfen ergrauendes Haar, groß, schlank, sportlich-leger gekleidet – das war mein erster Eindruck von Klaus, als er damals in den Laden kam und den teuersten Wein kaufen wollte, den ich auf Lager hatte. »Ein besonderes Geschenk für einen besonderen Geschäftspartner. Egal, was er kostet – ich nehme ihn!«
    »Glauben Sie mir, den teuersten möchten Sie nicht«, sagte ich. »Außerdem verstaubt der seit zwanzig Jahren in meinem Keller, ein echter Ladenhüter also.«
    »Jetzt bin ich neugierig. Was ist es für einer?«
    »Ein Bordeaux, und zwar ein 61er Château Pétrus Pomerol. Kostet viertausend.«
    Er pfiff durch die Zähne. »Klingt nach einem guten Tropfen. Packen Sie ihn als Geschenk ein. Und erzählen Sie ein bisschen was.«
    »Worüber?«
    »Über den Wein.« Er lächelte. »Und über sich selbst.«
    So lernte ich ihn kennen. Er war fast eine Stunde im Laden, und es blieb nicht dabei, dass ich ihm diverse Eckdaten über seine kostspielige Neuanschaffung mitteilte, sondern ich erfuhr auch einiges über ihn persönlich. Er hatte eine Import-Export-Firma, hauptsächlich Industrieanlagen und Baumaschinen, aber auch Elektronik und Hightech. Er war auf der Durchreise und hatte auf seinem Weg nach Frankfurt nur einen Abstecher von der Autobahn gemacht, weil er vor Ladenschluss unbedingt noch ein ordentliches Geschenk für einen wichtigen Geschäftsfreund besorgen musste. Der feierte einen runden Geburtstag, deshalb sollte es schon was hermachen.
    Klaus schien sich überhaupt nicht daran zu stören, dass zwischendurch andere Kunden in den Laden kamen und bedient werden mussten, er wartete einfach jedes Mal, bis ich wieder Zeit für ihn hatte. Er stand ganz entspannt da, lässig an die Theke gelehnt und gut gelaunt in die Runde blickend – als wäre mein Geschäft der ultimative Hotspot für Weinkenner statt bloß ein biederes, in die Jahre gekommenes Lädchen in der Kasseler Provinz.
    Auf dieselbe Weise schaute er auch mich an. Nicht wie eine Endvierzigerin mit fünf Kilo zu viel, sondern wie jemanden, der wirklich so attraktiv war, wie er behauptete (»Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie ein bisschen so aussehen wie Bettina Zimmermann?«). Meine Hände zitterten leicht, als ich die Magnumflasche sorgfältig in eine gepolsterte Schachtel packte und meine Geschäftskarte an das Geschenkband heftete.
    Klaus wartete, bis ich den Laden zumachte. Dann begleitete er mich vor die Tür und blickte mich lächelnd an. »Ich werde mich melden und Ihnen Bescheid sagen, ob meinem Freund das Geschenk gefällt.«
    Mein Herz geriet ins Stolpern, als er mir dabei in die Augen sah. Im Grunde war es da schon um mich geschehen. Am nächsten Tag kam eine witzige, launige E-Mail und eine Woche später wieder er selbst. Diesmal kaufte er nach einem ausführlichen und vergnüglichen Beratungsgespräch ein Dutzend edler spanischer Roter für zusammen fast fünfhundert Euro und bestand hinterher darauf, dass ich ihn nach Ladenschluss zum Essen begleitete. Er hatte einen Tisch für zwei reserviert, im besten Restaurant Kassels. Die ganze Zeit über klopfte mein Herz
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