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Ich bin alt und brauche das Geld

Ich bin alt und brauche das Geld

Titel: Ich bin alt und brauche das Geld
Autoren: Eva Völler
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wie verrückt, weil ich es nicht fassen konnte, dass ich wirklich dort saß, mit diesem kultivierten, unterhaltsamen und gut aussehenden Mann, der es sichtlich zu genießen schien, mit mir zu reden und zu lachen und zu essen. Als er mich anschließend in seinem funkelnagelneuen Porsche Cayenne nach Hause brachte, küsste er mich leidenschaftlich, und dann sagte er, falls mir das überstürzt vorkomme, liege es daran, dass er keine Zeit zu verlieren habe – in seinem Leben sei er bisher nur sehr selten einer Frau begegnet, bei der er sofort gewusst habe: Die ist es einfach.
    Genau das waren seine Worte gewesen: »Die ist es einfach.« Oder, bei späteren Anlässen auch des Öfteren: »Du bist es einfach.«
    Aus unerfindlichen Gründen hatte ich bereits in der Vorwoche, nachdem er mir zum ersten Mal gemailt hatte, das Haus vorzeigbar aufgeräumt, alles gründlich geputzt, die Gardinen gewaschen und mein Bett frisch bezogen. Mit schöner, neuer, spitzenbesetzter Bettwäsche.
    Nicht er war derjenige, der fragte, ob er noch mit auf einen Absacker reinkommen könne – ich bot es ihm an. Und ich erlebte die Nacht aller Nächte. So kam es mir jedenfalls damals vor. Aber sogar, wenn ich heute zurückblicke, mit all dem Wissen, das mir damals fehlte, muss ich sagen, dass es grandios war. Er war es einfach. Eben Klaus.
    Nachdem wir fast anderthalb Jahre lang eine Wochenendbeziehung geführt hatten, war ich zu ihm in sein Haus nach Frankfurt gezogen.
    Und knapp zwei Wochen später hatten wir uns getrennt.
    Seither hatte ich vier Monate Zeit gehabt, um über ihn hinwegzukommen. Gerade, als ich das Gefühl hatte, es geschafft zu haben, war der Gerichtsvollzieher aufgekreuzt. Und jetzt gab es noch nicht mal mehr jemanden, auf den ich wütend sein konnte – denn Klaus war gestorben. Vorige Woche, und zwar zufällig am Tag der Räumung. Als ich meine letzte Nachricht auf seine Mailbox gesprochen hatte, war er schon nicht mehr am Leben gewesen. Einerseits hatte mich das sehr erleichtert (immerhin hatte ihn nicht die Aufregung über meinen Anruf umgebracht), aber auf der anderen Seite war die Vorstellung, eine Nachricht für einen Toten zu hinterlassen, ziemlich gruselig. Wenigstens war er nach allem, was ich gehört hatte, sofort tot gewesen – Herzinfarkt. Nicht ungewöhnlich für Männer über fünfzig, die zu hohen Blutdruck und zu viel Stress im Beruf haben und trotzdem nicht kürzertreten wollen. Und auch sonst über die Stränge schlagen.
*
    Das rhythmische Knarzen nebenan hörte auf, zeitgleich mit dem unterdrückten Keuchen von Dirk, das sich immer anhörte, als sei er ein Fall für die Intensivstation. Auch der nachfolgende Rest lief ab wie üblich. Diesmal stellte ich mich schlafend, aber ich hatte auch so alles bestens vor meinem geistigen Auge. Zuerst kam Dirk aus dem Schlafzimmer, zu erkennen am Patschen seiner großen Füße auf dem Parkett und dem schabenden Geräusch, mit dem er sich an seinen meiststrapazierten Teilen kratzte. Dann das springbrunnenartige Plätschern im Bad, dann wieder tapsende Schritte zurück zum Schlafzimmer. Wenig später etwas leiseres Tappen und Plätschern von Doro. Anschließend die Klospülung.
    Irgendetwas war diesmal anders gewesen – richtig, sie hatten nur einmal die Spülung gedrückt, vermutlich aus Rücksicht auf mich. Oder weil Dirk vergessen hatte abzuziehen, so wie er auch jedes Mal das Händewaschen oder das Runterklappen der Klobrille vergaß.
    Wie auch immer. Mir reichte es. Ich konnte es nicht länger aushalten. Wie hatte bloß alles so weit kommen können? Dass ich bei anderen Leuten auf dem Sofa pennen und ihnen Nacht für Nacht bei ihrem olympiareifen Sportprogramm zuhören musste? Dass ich kein Zuhause mehr hatte? Keine berufliche Existenz, keine Möbel, kaum noch Geld und als einzigen persönlichen Besitz nur noch ein paar Kisten in der hinteren Ecke von Doros Wohnzimmer?
    Diesmal fing ich nicht nur einfach an zu weinen. Es war der heftigste Heulkrampf aller Zeiten. Sogar noch schlimmer als der vor vier Monaten bei der Trennung von Klaus. Damals hatte ich die Wahrheit (die erste und schlimmste) über ihn herausgefunden: dass er nicht allein zu mir Du bist es einfach gesagt hatte, sondern auch zu mindestens zwei anderen Frauen. Vielleicht sogar zu dreien. Und zwar parallel.
    Die Erinnerung verwandelte mich in ein von Schluchzern geschütteltes Elendsbündel. Trotzdem schaffte ich es irgendwie, meinen Nervenzusammenbruch möglichst lautlos zu gestalten, um Doro und Dirk
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