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Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus

Titel: Ich arbeite immer noch in einem Irrenhaus
Autoren: Martin Wehrle
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000 Anfragen bei einer Kreditauskunft gestellt, um den Schuldenstand seiner Mitarbeiter zu erforschen?

    Â Â 9. Welche Firma hat Protokoll über unerfüllte Kinderwünsche und Psychologenbesuche ihrer Mitarbeiter geführt?

    10. Welcher Arbeitgeber schleuste mehr als ein Drittel seiner Arbeitskräfte als preisgünstige Zeitarbeiter bei sich ein?

    11. Welche Firma entließ Mitarbeiter, angeblich mangels Geld – worauf ein Maulwurf die unglaublich fetten Gehälter von 17 Füh­rungskräften aufdeckte?

    12. Welches Unternehmen hat seinem Vorstandsvorsitzenden 2011 ein Jahresgehalt von 16,6 Millionen gezahlt, was dem Einkommen von 553 Arbeitern entspricht?

    13. Welche Firma hat einen Mobbing-Leitfaden verfasst, der unter anderem aufzeigt, wie man »Motzbrüder« zermürbt?

    14. Welcher Arbeitgeber hat den Anwalt eines gemobbten Ex-Mitarbeiters so offensichtlich schikaniert, dass ein Gericht dazwischenging?

    15. Welches Unternehmen hat seine Mitarbeiter heimlich mit Mini-Kameras überwacht und sogar Toilettengänge protokolliert?

    Irrenhäuser zur Auswahl: Deutsche Bahn, Thyssen Krupp, TÜV , Spiegel TV , Hamburg-Mannheimer, Unesco, Caritas-Verein Alten­oythe, Volkswagen, Daimler, Deutsche Post, Beiersdorf, Merck, Wüstenrot, Daimler, Lidl, Kraft Food, Volkswagen, Finanzamt, Lidl, Kik
    Mehrfach genannte Firmen kommen auch mehrfach als Lösung vor.
    Die Acht-Stunden-Diktatur
    Wer behauptet, Deutschland sei eine Demokratie, müsste eigentlich hinzufügen: »Höchstens 16 Stunden am Tag.« Den Rest der Zeit verbringen Mitarbeiter in ihren Firmen. Recht bekommt dort nicht, wer die besten Argumente hat, sondern wer im Haus der Hierarchie ein Stockwerk höher wohnt. Unten ist immer, wo die Mitarbeiter sind.
    Das Ansehen eines Irrenhaus-Insassen hängt davon ab, wie glaubwürdig er das tägliche Mitarbeiter-Gebet spricht: »Alles Gute kommt von oben!« Wer sich den Luxus leistet, eine abweichende Meinung zu haben, ist in seiner Firma so erwünscht wie Wolf Biermann einst in der DDR .
    Ein »Vorgesetzter« heißt so, weil er dem Mitarbeiter vor die Nase gesetzt wird. Schon mehrfach habe ich erlebt, dass Proteste der Belegschaft gegen einen neuen Chef von der Irrenhaus-Direktion eigenwillig gedeutet wurden: »Wenn die Schafe blöken, ist ein Leitwolf im Anmarsch!«, sagte der Vorstand eines Stahlbauers.
    Doch wie Zeitungen in Diktaturen, die nichts als Lügen drucken, vorzugsweise »Prawda« (Wahrheit) heißen, so nennen sich Firmen, die mit der Peitsche führen, vorzugsweise »mitarbei­terorientiert und demokratisch«. Mit 360-Grad-Feedbacks, mit Kommunikations-Workshops, mit Pressemeldungen täuschen sie ­demokratische Bräuche vor, die in Wirklichkeit am Firmentor enden.
    Raffinierte Irrenhaus-Direktoren bringen ihre Insassen dazu, selbst Lobpreisungen auf die Firma zu singen. Das Gesangsbuch dafür nennt sich Mitarbeiter-Zeitung. So habe ich verfolgt, wie die Geschäftsleitung eines süddeutschen Zulieferers in Bedrängnis geriet. Bei Sitzungen wurden die Chefs von ihren Mitarbeitern immer wieder für ihren Sparkurs und ihre krude Geschäftsstrategie kritisiert. Der Haussegen hing schief. Mittlerweile waren diese Missklänge auch an die Ohren der Geschäftspartner gedrungen.
    Eine Gegenstimme musste her. Die Irrenhaus-Direktion regte eine Mitarbeiter-Zeitung an. Alle 350 Mitarbeiter wurden eingeladen, an der Gründungssitzung teilzunehmen. Die Mitarbeiter schüttelten ihre Köpfe: Sie, deren Meinung immer abgebügelt wurde, sollten jetzt eine eigene Zeitung bekommen? Das konnte doch nur einer der üblichen Tricks ihrer Geschäftsführung sein …
    Außerdem war die Sitzung an einem Montag um 10.00 Uhr angesetzt worden – zu dieser Zeit war die unterbesetzte Belegschaft erfahrungsgemäß völlig ausgelastet. Tatsächlich kam nur eine Handvoll Mitarbeiter. Ein Spezialkommando aus Vorgesetzten, Chefsekretärinnen und Pressestellen-Mitarbeitern stand ihnen gegenüber.
    Im Eilverfahren – »demokratisch«, wie es hieß – wurde ein Chefredakteur gewählt. Die Wahl fiel – welch Zufall! – auf den Pressesprecher der Firma. Ein zweiter Kandidat, Betriebsrat und Unternehmenskritiker, wurde in der Diskussion von den Vorgesetzten mehrfach angegangen und fiel bei der Wahl durch.
    Die erste
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