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Ice Ship - Tödliche Fracht

Titel: Ice Ship - Tödliche Fracht
Autoren: Lincoln Douglas & Child Preston
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strömte; seine Rippen und die Muskulatur zeichneten sich wie ein Relief auf seinem nackten Oberkörper ab, der strähnige Bart sog sich mit Wasser voll. Plötzlich stieß er einen lauten Schrei aus. Er kauerte sich in das Loch, schaufelte mit bloßen Händen Sand und Schlamm beiseite, starrte auf das feste Gestein, das er soeben freigelegt hatte, und ließ es vom Regen vollends freiwaschen. Vor Staunen und Bestürzung wie betäubt fiel er auf die Knie, als wolle er beten, und legte in einer ehrfürchtigen Geste die verschwitzten, schmutzigen Hände auf das Gestein. Sein Atem ging keuchend, er verdrehte verblüfft die Augen, sein Herz schlug vor Anstrengung, Aufregung und einem unbeschreiblichen Glücksgefühl wie ein Schlaghammer. In diesem Moment brach eine Schockwelle gleißend hellen Lichts aus dem frisch geschaufelten Loch, gefolgt von ohrenbetäubendem Lärm, der durch das ganze Tal hallte, bis die fernen Hügel ihn verschluckten. Die beiden angebundenen Maulesel hoben den Kopf. Sie sahen eine Rauchwolke aufsteigen, die sich aber bald zerfaserte und im Regen verlor. Gleichgültig wandten sie sich ab, und bald darauf senkte sich die Nacht über die Isla Desolación.
     
    Isla Desolación
    22. Februar, 11.00 Uhr
    Von der einsetzenden Flut getrieben, glitt das lange Borkenkanu rasch durch den Kanal. Ein Mann kniete darin und trieb es, das Paddel in der Hand und weit nach vorn gebeugt, mit erfahrenem Schlag durch das schäumende Wasser. Es zog eine Rauchfahne hinter sich her – von dem Feuer, das in der Mitte des Kanus auf einem feuchten Lehmklumpen schwelte. Das Kanu machte einen weiten Bogen um die schwarzen Klippen der Isla Desolación, bog in das ruhigere Wasser einer kleinen Bucht ein und setzte knirschend auf dem steinigen Strand auf. Der Mann sprang heraus und zog das Kanu so weit an Land, dass es oberhalb der höchsten Gezeitenmarke lag. Die Kunde war zufällig zu ihm gedrungen, einer der nomadisierenden Fischer, die ihr einsames Dasein am Ufer dieses kalten Meeres fristeten, hatte ihm davon erzählt. Dass jemand, der wie ein Fremder aussah, diese abgelegene, unwirtliche Insel aufgesucht hatte, war in der Tat bemerkenswert. Aber noch bemerkenswerter war, dass er die Insel allem Anschein nach nicht wieder verlassen hatte, obwohl seit seiner Ankunft schon ein Monat vergangen war. Der Mann blieb stehen, ein Stück zerbrochenes Fiberglas war ihm aufgefallen. Er bückte sich und hob es auf, fand noch ein zweites, befreite die Bruchstücke von angeschwemmtem Gras und Moos und inspizierte sie sorgfältig: die Überreste eines vor nicht allzu langer Zeit hier gestrandeten Bootes. Aber sicher gab es eine simple Erklärung dafür. Er war seiner Erscheinung nach ein seltsamer alter Kauz – irgendwie unheimlich, mit langem grauem Haar und einem dünnen Ziegenbärtchen, das ihm wie ein dicht gewobenes Spinnennetz vom Kinn hing. Trotz der eisigen Temperaturen trug er lediglich ein schmutziges T-Shirt und ausgebeulte Shorts. Er führte den Zeigefinger zur Nase, hielt sich ein Nasenloch zu, schnäuzte sich und nahm sich dann das andere vor – nicht gerade anmutig, aber routiniert. Dann kletterte er auf die Klippe am Ende der Bucht, wo er ganz oben Halt machte. Seine wachen dunklen Augen suchten den Boden der steinigen Ebene ab. So kurz nach der Eisschmelze war sie matschig, daher zeichneten sich alle Spuren noch deutlich ab – Fußspuren und Hufspuren. Er folgte dem Zickzackkurs, den die kleine Kolonne eingeschlagen hatte, zunächst bis an den Rand des Schneefelds, dann hinunter ins Tal. Auf einem Buckel, von dem aus man das ganze Tal überblicken konnte, endeten die Spuren dann; oder vielmehr: Sie verloren sich in einem ziellosen Hin und Her. Der Alte blieb stehen und betrachtete das wirre Muster. Irgendetwas dort unten irritierte ihn – ein paar verhuschte Farbflecken, und das Sonnenlicht brach sich an einem Stück poliertem Metall. Er hastete den Buckel hinunter. Zuerst stieß er auf die Maulesel. Sie waren an einem Findling festgebunden und seit geraumer Zeit tot. Seine Augen suchten das Tal ab und fingen begehrlich zu glitzern an, als er die teuren Ausrüstungsstücke entdeckte. Dann sah er den Toten. Er näherte sich ihm mit großer Vorsicht. Der Leichnam lag auf dem Rücken, dreißig Meter neben einem erst kürzlich ausgehobenen Erdloch. Er war praktisch nackt, nur ein paar Fetzen verbrannter Kleidungsstücke klebten noch an dem verkohlten Körper. Die schwarz verbrannten Hände waren nach oben gereckt, die
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