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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Autoren: Sarah Beth Durst
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sie kurz.
    »Ich dachte auch, ich könnte hier zu Hause sein. Weißt du, ich habe immer davon geträumt hierherzukommen, jahrelang. Aber jetzt … He, wie auch immer, Träume ändern sich. Daran ist nichts Falsches. Ich bewerbe mich gerade um eine nette, gemütliche Postdoktorandenstelle daheim in Los Angeles, an der UCLA .«
    »Schön für dich«, erwiderte Cassie. Ihre Träume änderten sich nicht. Nichts und niemand – weder Dad noch Gram noch Max – konnte sie zwingen, ihr Leben hier zu verlassen. »Ich bin gleich wieder da«, sagte sie, öffnete die Innentür und schloss sie hinter sich.
    Eine Sekunde lang rang sie mit sich selbst. Sollte sie hierbleiben und versuchen, Dad und Gram zur Vernunft zu bringen? Aber Worte hatten schon zuvor nichts ausgerichtet. Nein, dachte sie, wenn ich jetzt nichts tue, dann sitze ich in drei Stunden in einem Flugzeug nach Fairbanks. Das konnte sie nicht zulassen. Sie öffnete die Außentür und trat hinaus in die Arktis.
    Sofort versengte Kälte sie, schnitt in sie hinein wie mit Messern. Im Nu war ihre Gesichtsmaske gefroren. Tief atmete Cassie die bitterkalte Nachtluft ein. Sie fühlte sich spröde und scharf in ihrer Kehle an, als wäre sie voller Glassplitter. Genau das hatte sie gebraucht, um den Kopf frei zu kriegen. Die eisige Luft beruhigte sie, wie immer.
    Cassie stand im Lichtkreis der Stationsleuchten, das Gesicht der blauen Finsternis zugewandt. Stille umgab sie. »König der Eisbären!«, rief sie hinaus in das Schweigen. »Ich komme, um dich zu finden! Hörst du mich?«
    Sie wartete einen Augenblick, lauschte. Schnee wirbelte über ihre Füße. Sie wischte den Reif von der Schutzbrille und ließ ihren Blick suchend über die in Dunkel getauchten Eisfelder schweifen. Der Wind blies Schnee über die im Mondlicht glänzenden Schneewehen und Kämme. Blaue Schatten oszillierten über dem Eis.
    Cassie schüttelte sich. Sie hatte doch wohl nicht ernsthaft erwartet, dieser angebliche König der Eisbären würde ihr antworten, oder? Das war einfach irre. Kinnaq , fiel ihr ein – das war Inupiaq für »Verrückte«.
    Naja. Übermüdet, wie sie war, hatte sie (wenn auch nur einen Augenblick lang) tatsächlich geglaubt, es gäbe einen magischen Eisbären. Aber das bedeutete doch nicht gleich, dass sie übergeschnappt war. Sie hatte glauben wollen, dass Grams Geschichte stimmte und ihre Mutter noch am Leben war. Aber das machte sie noch lange nicht zu einer Verrückten. Sie würde den Bären finden und Gram, Dad und sich selbst beweisen, dass er ganz normal war. Entschlossen marschierte Cassie auf den Schuppen zu, in dem die Schneemobile standen –
    – als sich über ihr plötzlich ein gewaltiger Schatten erhob.
    Turmhoch ragte der riesige Bär über ihr auf. Sein Umriss löschte die Sterne aus. Sein Fell reflektierte das Licht der Station, und seine Silhouette schimmerte, als wäre er ein spirituelles Wesen, eine Gottheit der Inuit, ja, Mashkuapeu selbst, der Herr der Bären. Die Arktis kam ihr plötzlich winzig klein vor. Sie war in sich zusammengestürzt und bestand nur noch aus ihnen beiden – Cassie und dem Eisbären.
    Der Bär öffnete seine Schnauze. Sie konnte weiße Fangzähne erkennen und eine schwarze Zunge. Eine gewaltige Pranke fuhr auf sie hinunter, und sie duckte sich weg. Im Augenwinkel sah sie, wie etwas Glitzerndes aus der Klaue des Eisbären tropfte. Als es in den Schnee fiel, drehte er sich einmal um sich selbst. Dann ließ er sich auf alle viere nieder und zog sich bis dorthin zurück, wo der Lichtkreis der Flutlichtlampen endete.
    Cassie blickte nach unten, hinüber zu der Stelle, wo der Bär gestanden hatte. Schon begann eine dünne Schneedecke, seine Spur zu verwischen. In der Rundung eines Tatzenabdrucks lag eine silberne Nadel mit einem orangefarbenen Schaft – der Betäubungspfeil.

Kapitel Drei
    Geografische Breite: 70° 49 ' 23 " N
    Geografische Länge: 152° 29 ' 25 " W
    Höhe: 3 m
    Die Tür war nur ein paar Schritte entfernt. Wenn sie einen großen Satz machte, konnte sie sich nach drinnen retten, und festes Metall wäre zwischen ihr und dem Bären. Aber sie hatte ihn gerufen, und er war gekommen. Der Betäubungspfeil, den sie draußen im Meereis auf ihn abgeschossen hatte, lag vor ihr. Unmöglich, unerklärlich, aber er hatte ihn ihr zurückgebracht. Sie fühlte sich benommen und merkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Sie blickte auf und sah zu ihm hinüber.
    Er war eine Ballung von Schatten am Rande des Lichtkreises der Station. Sie
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