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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Autoren: Sarah Beth Durst
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ihres Gehstocks bahnte sich Gram ihren Weg über ein wirres Bündel Kletterseile, schob einen Haufen Landkarten vom Bett und zog die Decke glatt. »Steck deine Seite fest, Liebes!«
    Cassie wollte wirklich nicht über den Zustand ihres Zimmers reden. Sie bereute, das Thema überhaupt angeschnitten zu haben. »Gram … «, begann sie.
    »Liebes?«, wiederholte Gram, und dieses Mal lag etwas mehr Härte in der Stimme.
    Cassie kannte sie: Gram würde nicht mit ihr reden, bis das Bett gemacht war. Dad hatte seine unerschütterliche Entschlossenheit von ihr. Seufzend zog Cassie die Bettdecke glatt. »Steck die Ecke fest!«, wies Gram sie an. Cassie gehorchte. »Sehr schön«, sagte Gram. »Und jetzt hol deine Tasche, Liebes! Wir müssen deine Sachen packen.«
    »Gram … Es ist nicht so, dass ich nicht bei dir wohnen will. Ich will einfach nicht in Fairbanks leben. Ich will hierbleiben.«
    »Du wirst Pullover brauchen. Und Unterwäsche.« Gram zog einen Rucksack aus dem Durcheinander, öffnete ihn und legte ihn auf das Bett.
    Bleib ruhig, befahl sich Cassie. Das ist Gram. In vernünftigem Tonfall fuhr sie fort: »Es ist Hochsaison – die Bären wandern zurück auf das Meereis. Ich werde hier gebraucht.«
    Gram pikte ihren Gehstock in Cassies Kleiderschrank. »Sauber oder schmutzig?« Sie holte einen Wollpullover heraus und schnüffelte daran. »Du musst dich besser um deine Sachen kümmern.«
    »Gram, rede mit mir«, flehte Cassie.
    Gram reichte Cassie drei Pullover. »Zusammenlegen!«
    Cassie warf die Pullover aufs Bett. Gram blickte sie scharf an. Dann legte sie die Pullover zusammen und packte sie in den Rucksack. Cassie schmiss sie zurück in den Schrank.
    »Sei nicht bockig«, sagte Gram und holte sie wieder heraus. »Dein Vater macht sich Sorgen. Er hat sich immer Sorgen gemacht, der sture Narr.« Sie faltete die Pullover wieder zusammen. »Er wollte dich abschirmen. Er dachte, Unwissenheit würde dich schützen, aber das ist ein alter Streit, und das spielt jetzt alles keine Rolle mehr. Das einzig Wichtige ist, dich nach Fairbanks zu bringen. Ich werde dir alles erklären, wenn du erst mal dort in Sicherheit bist.«
    Cassie erschauerte. Sie brauchte keinen Schutz vor einem Märchen. Es gab keinen König der Eisbären. Was suchte Gram hinter dieser lächerlichen Lüge zu verstecken? »Gram, was ›alles‹?«
    »Du hast nicht vor, uns das hier leicht zu machen, oder?«, fragte Gram.
    Nein, natürlich nicht. Gram verlangte von Cassie, ihr Leben aufzugeben, ihr Zuhause, ihre Karriere, ihre Zukunft. »Was verschweigst du mir?«
    Gram seufzte. »Oh, mein Liebes … Er hätte dir schon vor langer, langer Zeit die Wahrheit sagen sollen. Er wollte dich nur beschützen. Wir beide wollten dich beschützen. Wir waren uns bloß nicht einig darüber, wie wir das am besten tun sollten.« Sie klang müde. Alt und müde. Cassie hatte Gram noch niemals so gehört.
    »Welche Wahrheit?«, fragte sie.
    Gram setzte sich wie früher auf die Kante von Cassies Bett. In ihrem Schoß lag einer der Pullover. »Deine Mutter«, begann sie behutsam, »war die Tochter des Nordwinds. Sie schloss einen Handel mit dem König der Eisbären, und jetzt, an deinem achtzehnten Geburtstag, kommt er dich holen.«
    Cassie hörte ihren Puls entsetzlich laut in den Ohren dröhnen. Ihre Mutter, die Tochter des Windes ? Das war doch bloß eine Geschichte.
    »Du weißt, dass es wahr ist«, fuhr Gram fort. »Du hast ihn gesehen.«
    Ja, sie hatte einen Bären gesehen, den größten, den es gab. Und er war in festes Eis hineingegangen. Aber das hieß doch nicht … Cassie schüttelte den Kopf. Warum tat ihre Großmutter das? Das war nicht witzig. Sie so zu necken, mit dem König der Eisbären, mit ihrer Mutter. Es war grausam. »Tu das nicht!«, sagte Cassie.
    »Cassandra, es ist die Wahrheit«, wiederholte Gram. »Du weißt, ich habe die Station verlassen, weil dein Vater und ich einen Streit hatten. Ich war die ganze Zeit der Meinung, wir sollten dir die Wahrheit sagen.«
    Grams Gesicht nahm einen feierlichen Ausdruck an. Ihre Augen blickten gütig und ernst zugleich. Die Hände strichen nervös über den Pullover, der in ihrem Schoß lag. Cassie starrte sie unverwandt an. Und einen kurzen, wundervollen, verrückten Moment lang dachte sie, Was, wenn …
    Aber nein. Das konnte nicht einfach sein. Ihre Mutter war in einem Schneesturm umgekommen, kurz nach Cassies Geburt. Sie war nicht in irgendeiner Troll-Festung. Denn wenn doch … Wenn es doch so wäre, wenn
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