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Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens

Titel: Ice - Hüter des Nordens - Durst, S: Ice - Hüter des Nordens
Autoren: Sarah Beth Durst
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auch nur die geringste Möglichkeit bestünde, dass Grams Geschichte stimmte und ihre Mutter irgendwo gefangen war, dann hätte Dad sie doch gerettet. Und Cassie hätte nicht mit dem Gefühl aufwachsen müssen, dass ein Stück von ihr fehlte.
    »Du brauchst Zeit zum Nachdenken«, sagte Gram sanft. »Das verstehe ich. Es ist alles ziemlich viel auf einmal.« Sie tätschelte Cassies Schulter. »Ruh dich aus! In ein paar Stunden brechen wir auf.«
    Und bevor Cassie erneut widersprechen konnte, ging sie aus dem Zimmer.
    Cassie schleuderte den Rucksack in den Kleiderschrank und warf die Pullover achtlos auf die Kommode. Warum hatten Dad und Gram diese Lüge erfunden? Sie hatten sie doch sonst nie angelogen. Aber entweder belogen sie sie jetzt oder …
    Mit brennenden Augen starrte Cassie heftig blinzelnd ihr Bett an. Vor vielen Jahren hatte Gram hier immer gesessen, ein scharfer Umriss im Dunkeln. Ihre Stimme war Cassie so vertraut gewesen wie ihr eigener Herzschlag. Gram hatte die Geschichte jedes Mal erzählt, wenn Dad sich nicht auf der Station befand. Und Cassie hatte immer gedacht, der Grund wäre, dass Dad keine Märchen mochte. Seine Vorstellung von einer Gutenachtgeschichte war eine völlig andere – zum Beispiel Shackletons Reise in die Antarktis. Und nun sollte sie glauben, er sei dagegen gewesen, dass Gram ihr die Wahrheit sagte?
    Hätte sie doch bloß diesen Bären gefangen! Wäre ihr das gelungen, hätten sie Tests mit ihm machen, ihm eine Blutprobe entnehmen, ja, ihn sogar mit einem Chip ausstatten und seine Route verfolgen können. Sie hätte beweisen können, dass er nur ein ganz normaler Bär war.
    Vielleicht konnte sie das immer noch. Wenn sie die beiden dazu brachte, ihr die Wahrheit zu sagen, hätten sie keinen Grund mehr, sie nach Fairbanks zu schicken.
    Ohne weiter nachzudenken, schlich Cassie auf Zehenspitzen hinaus auf den Korridor und durchquerte das Labor. Die Leuchtstofflampen waren ausgeschaltet, aber die Computerbildschirme glommen grün. Aus Richtung Küche hörte sie gedämpfte Stimmen. Wenn sie schnell genug war, würde niemand merken, dass sie ihr Zimmer überhaupt verlassen hatte. Sie ging auf der anderen Seite aus dem Labor hinaus und schloss leise die Tür hinter sich. Dann schaltete sie das Licht im Hauptraum an.
    Jemand rührte sich. »Aaah!«
    Cassie erstarrte. Jeremy. Er war wieder mal an seinem Schreibtisch eingenickt. »Schlaf weiter«, flüsterte sie.
    »Mmmpf«, murmelte er und schloss die Augen wieder.
    Sie hielt den Atem an. Er war der Frischling hier – oder Cheechako , wie Max, der zu den Inuit gehörte, auf Inupiaq sagen würde. Jeremy hatten Dad und Gram bestimmt nichts erzählt. Wenn sie sich ganz normal verhielt, würde er keinen Verdacht schöpfen und ihren Vater nicht rufen. Langsam ging sie hinüber zu ihrem Schreibtisch und zog ihre Gore-Tex-Hosen an. Die Hosen raschelten, und Jeremys Augen öffneten sich wieder.
    Er starrte Cassie an. »Wo willst du hin?«
    »Ich muss was reparieren«, log sie. »Nichts Schlimmes.« Sie schob die Füße in ihre Mukluks, weiche, warme Pelzstiefel, und machte die Gamaschen darüber fest.
    »Ich versteh nicht, wie du’s da draußen aushältst«, meinte Jeremy. »In dieser öden Eiswüste. Naja, wenigstens kommst du ja jetzt hier weg, was?«
    Ihre Finger zitterten, als sie die Gesichtsmaske aufsetzte. »Wer sagt das?«, fragte sie und versuchte, ihre Stimme ruhig und beiläufig klingen zu lassen. Sie zog die Kapuze über zwei Wollmützen – fast fertig. Ihre Eingeweide schienen alle im Chor zu schreien: Sc hnell, beeil dich!
    »Der Typ mit dem Flugzeug, Max. Er meinte, du würdest studieren gehen.«
    »Max redet zu viel«, erwiderte sie. »Ich gehe nirgendwohin.« Sie machte den Klettverschluss am Halsteil ihrer Kapuze zu und griff nach ihrer Notausrüstung. Das kleine Paket enthielt eine Taschenlampe, ihre Eisaxt, ein Paar Flanellhosen zum Wechseln und einige Essensrationen. So ausgestattet konnte sie das Packeis mehrere Tage lang absuchen, falls das nötig werden sollte.
    »Nur, weil das hier alles ist, was du kennst, heißt das nicht, dass es nichts anderes gibt«, sagte Jeremy. »Wünschst du dir denn kein normales Leben? Du warst noch nie woanders. Du bist hier aufgewachsen, du hast hier Unterricht gehabt. Willst du denn gar nicht raus in die Welt, Leute in deinem Alter treffen, Dinge tun wie andere Menschen auch?«
    Sie liebte das Eis. Sie liebte es, Bären aufzuspüren und zu verfolgen. »Das hier ist mein Zuhause«, sagte
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