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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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Kloster in Kenntnis zu setzen. Nie hätte ich ihm Näheres über die Gründe dafür dargelegt, hätte ich nicht im Gegenzug dazu etwas viel Wertvolleres von ihm zu erhalten gedacht, weshalb ich nun also vor seinen Augen das Schreiben des Papstes entrollte, was ihn vollkommen verblüffte. Ich ließ ihn in dem Glauben, daß ich mich ihm wie einem Freund anvertraute, als ich ihm gestand, wie sehr mich jene besagte Ernennung verwirrte und wie sehr mir meine Abreise von Ponç de Riba mißfiel, gerade jetzt, wo er zum Abt gewählt werden würde. Bevor er noch den Mund aufmachen konnte, so fassungslos und überwältigt wie er war, bat ich ihn um die Erlaubnis, den Novizen García mitnehmen zu dürfen, um seine Ausbildung nicht unterbrechen zu müssen, und ich versicherte ihm, daß ich den Jungen zweifellos noch vor Ablauf eines Jahres gereift und gebildet zurückschicken würde, bereit, die klösterlichen Weihen zu empfangen. Ich schwor ihm, daß der Junge immer im nächstgelegenen Mauritiuskloster nächtigen und er sämtlichen Verpflichtungen nachkommen und die Regeln seines Ordens befolgen würde.
    Es erübrigt sich zu sagen, daß ich wissentlich einen Meineid beging und jener ganze Wortschwall nichts weiter war als ein Gespinst aus lauter Lügen, eine größer als die andere; doch ich mußte den Prior überzeugen, daß er mir Jonas in die Obhut gab, um ihn aus jenen Mauern rauszuholen, hinter die er selbstverständlich nie wieder zurückkehren würde.
    Unter der sengenden Mittagssonne verließ ein Gefolge aus drei Hospitalitern, zwei ebenfalls dem Orden der Hospitaliter angehörenden Schildknappen, den sogenannten armigeri , einem Mauritiusnovizen, der kurz vor seinem vierzehnten Lebensjahr stand, und zwei mit Gepäck beladenen Mauleseln das Kloster in Richtung Norden, nach Barcelona.

D ie ständigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden römischen Adelsfamilien Gaetani und Colonna, die Rom in ein blutiges Schlachtfeld verwandelt hatten, zwangen Papst Benedikt XI. dazu, sich außerhalb Italiens in Sicherheit zu bringen. Sein Nachfolger, Clemens V. der vor seiner Wahl durch das Konklave das Amt des Erzbischofs von Bordeaux innehatte, beschloß angesichts der politischen Wirren im Kirchenstaat, Frankreich nicht eher zu verlassen, bis sich die Lage in Rom beruhigt hatte, wodurch jene Zeit anbrach, die man, ohne genau zu wissen warum, als die ›babylonische Gefangenschaft‹ bezeichnet. Doch die Dinge wurden keineswegs besser, und Johannes XXII. der zwei Jahre nach dem Tod Clemens' V. zum Papst gewählt wurde – Jahre, in denen der Petrusstuhl erstmalig in seiner Geschichte vakant geblieben war –, zog es vor, in seiner Residenz in Avignon zu bleiben, die so zum Zentrum der Christenheit wurde. Nach zwei französischen Päpsten, wer konnte da schon wissen, ob das Pontifikat je wieder nach Italien zurückkehren würde?
    Keineswegs ungewiß war hingegen in jenen letzten Tagen des April 1317, daß Jonas und ich vierhundertsiebzig Meilen auf dem Rücken unserer Pferde, quer über die gefährlichen Bergpässe der Pyrenäen, zurücklegen mußten und wir keine Zeit vergeuden durften. Dennoch hielten wir uns länger als wünschenswert in Barcelona auf, um uns von Joanot und Gerard zu verabschieden, die nach Rhodos zurückkehrten.
    Im Nu durchquerten Jonas und ich dann Foix und das Languedoc und machten erst in Narbonne wieder halt, um ein paar Tage auszuruhen und die Pferde und Maulesel zu wechseln. Fast immer übernachteten wir am Wegesrand, bereiteten uns im Schutz eines lodernden Feuers aus unseren Umhängen ein Lager, und auch wenn der Junge sich anfangs etwas über die ungewohnten Unannehmlichkeiten beklagte, so fand er dennoch bald Gefallen daran, unter dem Sternenhimmel zu schlafen und seinen Körper Mutter Erde anzuvertrauen. Zwar konnte ich ihm vorerst nicht erklären, wie wichtig die Verbindung zu den geheimen Kräften des Lebens war, da er noch nicht initiiert war, jedoch sah ich ihn innerhalb kurzer Zeit wie eine Pflanze im Frühling erblühen, und der dürre und blasse Novize von Ponç de Riba, der nun fast schon so groß war wie ich, verwandelte sich vor meinen Augen in einen kräftigen armiger, den Schildknappen, auf den ein jeder Hospitaliter von Standes wegen Anrecht hatte.
    In fliegendem Galopp ließen wir bald Béziers hinter uns und erreichten von Montpellier aus in nur einer Tagesreise Nîmes, das antike Nemausus der Provinz Gallia Narbonensis . Schließlich, am späten Abend des 31. Mai, die Sonne
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