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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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Lippen – verschmälerte sich zum Kinn hin, was ihm das seltsame Aussehen eines gefährlichen Raubvogels verlieh. Gekleidet war er mit einem purpurnen Umhang, dessen Schleppe er hinter sich herzog, als hinge ein Hund an den Fersen seines Herrn. Als er seinen Kardinalshut abnahm, kam ein edler, kleiner Kopf, so blank und rund wie ein Ball, zum Vorschein. Trotz unseres Franziskanerhabits beugten Bruder Robert und ich die Knie in militärischem Gestus und senkten unsere Häupter in der Erwartung seines Segens, eines Segens, der bis zur Erschöpfung auf sich warten ließ, denn der Pontifex setzte sich erst einmal gemächlich in einen mit Brokat überzogenen Sessel, wies daraufhin seinen Cubicularius an, seine Gewänder sorgfältig zu richten, und trank anschließend einen großen Becher heißen Wein, ohne unserer Gegenwart auch nur die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Erst dann räusperte er sich und bot uns seinen nur aus einem einzelnen großen Rubin gearbeiteten Bischofsring zum Kusse an.
    »Pax vobiscum  …«, murmelte er unwillkürlich.
    »Et cum spiritu tuo «, entgegneten Robert und ich einstimmig.
    »Erhebt Euch, Ritter vom Hospital, und nehmt Platz.«
    Der Cubicularius bewirtete uns gleichfalls mit Bechern voll heißen Weins, die wir begierig zwischen beide Hände nahmen. Dann setzten wir uns zurecht, um zu hören, was der Heilige Vater zu sagen hatte.
    »Ihr müßt Galcerán de Born sein«, begann er, »den man auch den Perquisitore nennt.«
    »So ist es, Eure Heiligkeit.«
    »Ihr könnt stolz auf Euch sein, Galcerán de Born« – seine Stimme klang scharf und spitz, und beim Sprechen trommelte er mit den Fingern auf die Sessellehnen –, »Euer Seneschall auf Rhodos hebt Euch wahrhaft in den Himmel. Auf unser Bittgesuch hin antwortete er, er habe genau den geeigneten Ritter für die heikle Mission, mit der ich Euch betrauen werde. Er meinte, daß Ihr nicht nur ein ehrfürchtiger Mönch, sondern auch ein findiger und mit großer Schläue ausgezeichneter Mann seid, der hinter jede Wahrheit komme. Und Ihr könntet Euch nicht nur eines guten Rufs als weiser, verantwortungsvoller und kompetenter Arzt erfreuen, sondern verstündet es darüber hinaus auch, Probleme anzupacken und zu lösen, wie dies kein zweiter vermag. Ist dem so, Sire Galcerán?«
    »Ich würde nicht so weit gehen, Heiligkeit …«, murmelte ich überwältigt, »jedoch entspricht es der Wahrheit, daß ich mit gewissem Erfolg an der Aufdeckung einiger Rätsel mitgewirkt habe. Wie Ihr wißt, sind wir letztendlich auch nur Menschen, selbst wenn der Heilige Geist sich der Rettung unserer Seelen annimmt.«
    Der Papst winkte gelangweilt ab und raffte gedankenverloren den Faltenwurf seines Mantels. Ich glaubte, zuviel geredet zu haben, und sagte mir, daß kein Laut mehr über meine Lippen käme, bis man es nicht ausdrücklich von mir verlangte.
    »Nun gut, Sire Galcerán, ich zähle auf Eure Fähigkeiten, um eine gewichtige Entscheidung zu treffen, die den Lauf meiner Herrschaft verändern könnte. Natürlich darf von dem, was heute hier besprochen wird, nicht das geringste nach außen dringen. Ich berufe mich auf Euer Gehorsamkeitsgelübde.«
    »Bruder Galcerán de Born wird schweigen. Eure Heiligkeit«, bekräftigte Herzog Robert meine Ergebenheit.
    Der Papst nickte.
    »So sei es. Ich vermute, Ihr seid über die unangenehmen Vorfälle im Bilde, die meinen Vorgänger Clemens V. dazu bewegten, den gefährlichen Orden der Templer aufzulösen, nicht wahr?« fragte er mich und blickte mir dabei tief in die Augen.
    Für einen flüchtigen Augenblick stand mir wohl ungläubige Überraschung und tiefstes Mißbehagen im Gesicht geschrieben, als ich mir aber dessen bewußt wurde, gewann ich schnell die Fassung zurück. Stand die Mission, mit der mich Seine Heiligkeit betrauen wollte, etwa in Zusammenhang mit den Templern? Gott behüte! Wenn dem so war, hatte ich mich soeben in die Höhle des Löwen begeben.
    So viele Male hatte ich deren Geschichte schon gehört, kannte sie bis in alle schrecklichen Einzelheiten, daß mir nun all jene Ereignisse durch den Kopf schossen, während mich Johannes XXII. mit kaltem und inquisitorischem Blick von oben bis unten maß.
    Drei Jahre zuvor, am 19. März 1314, waren Jacques de Molay, Großmeister des verbotenen Templerordens, und Geoffroy de Charney, Präzeptor der Normandie, auf dem Scheiterhaufen verbrannt, angeklagt des Meineids und der Ketzerei. Dies war der tragische Höhepunkt von sieben Jahren Verfolgung
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