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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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des Doms rufen lassen, in deren Sakristei eine alleinstehende Alte mit dem Tode rang. Unsere Antwort war absurd, und wenn die Soldaten gründlich darüber nachgedacht hätten, wäre ihnen aufgefallen, daß zu jener nächtlichen Stunde nicht einmal mehr die Franziskaner wegen einer alten Frau ihr Kloster verließen, zumal die Alte bereits sehr gut von irgendeinem Prälaten der Kirche, in der sie angeblich im Sterben lag, mit Sakramenten und seelischem Beistand versehen worden wäre. Aber sie wurden sich dessen nicht bewußt, so daß sie uns ohne weiteres passieren ließen.
    Notre-Dame des Doms, die unmittelbar neben dem bischöflichen Palais in dem von alten römischen Mauern umgrenzten Bezirk lag, war ein ideales Ziel, denn es erlaubte uns, die richtige Richtung einzuschlagen, ohne Verdacht zu erregen. Schließlich ließen wir die Kathedrale links liegen, und nach einem kleinen Umweg standen wir auf einmal vor den Toren der päpstlichen Stallungen.
    »Schaut genau hin«, flüsterte Bruder Robert mir zu, »sie sind nur angelehnt.«
    Es schien sich niemand in unmittelbarer Nähe zu befinden, so daß wir die Holztore aufdrücken und hineinschleichen konnten. Drinnen war es warm und feucht. Einige Tiere wurden auf uns aufmerksam und wieherten und tänzelten unruhig. Doch glücklicherweise erschien keine Menschenseele, um nachzusehen, was dort vor sich ging.
    Eine Laterne, die wohlweislich in der Sattelkammer aufgehängt worden war, wies uns den rechten Weg. Ähnlichen Zeichen folgend, schlichen wir durch die Flure, bis wir schließlich durch eine Geheimtür, die auf der anderen Seite von einem schweren Wandteppich aus Damast verborgen wurde, in die Privatgemächer des Papstes gelangten. Ein prasselndes Kaminfeuer erwärmte den Raum. In der Mitte stand ein riesiges Bett mit Baldachin, dessen Vorhänge mit dem päpstlichen Wappen bestickt waren. Auf einem einfachen Holztisch zeigten uns drei goldene Becher und ein Silberkrug voll Wein, daß wir erwartet wurden und dem Eintreffen unseres Gastgebers nun entgegenzusehen hatten.
    »Das Seltsame daran ist …«, meinte Bruder Robert flüsternd – ich überragte ihn um einen ganzen Kopf, so daß er mich schwerlich anschauen konnte, wenn er das Wort an mich richtete – »… daß man ein bischöfliches Palais so leer stehen lassen kann, ohne daß jemand darauf kommt, Fragen zu stellen.«
    »So hört doch«, erwiderte ich, »sie sind alle unten, Sire. Vernehmt Ihr nicht die Gesänge der Matutin zu Euren Füßen? Der Papst muß wohl alle zum Gebet gerufen haben, um uns unbehindert Zutritt zu verschaffen.«
    »Ihr habt recht. Dieser Papst ist ein schlauer Fuchs … Wußtet Ihr, daß er trotz seines fortgeschrittenen Alters in weniger als einem Jahr die Zügel der Kurie in die Hand genommen und die leeren Schatzkammern des Apostolischen Stuhls wieder gefüllt hat? Man spricht von Millionen von Florinen …«
    »Ich habe fast eineinhalb Jahre hinter den Mauern eines Mauritiusklosters verbracht«, entschuldigte ich mich für meine Unwissenheit, »und ich weiß nicht viel über die Dinge, die inzwischen in der Welt vorgefallen sind.«
    »Nun, man ist allgemein der Ansicht, daß die Konzilsväter beschlossen, sich mit dem kleineren Übel abzufinden und endlich einen Schlußstrich zu ziehen, als sie nach zwei Jahren hinter den verschlossenen Türen des Konklave noch immer zu keiner Entscheidung gelangt waren. Obwohl er also letztlich aus Überdruß zum Papst ernannt worden war, erwies sich Johannes XXII. als exzellente Wahl: Er ist ein Mann von Charakter, äußerst wagemutig und zäh, und er löst eine Schwierigkeit nach der anderen, welche die Kirche noch vor seiner Wahl hatte.«
    Während Bruder Robert mir in offensichtlicher Bewunderung die aufsehenerregenden Großtaten des neuen Papstes darlegte, bemerkte ich, wie kurz darauf die Gebete verstummten und nun auf den Fluren wieder die diskreten Schritte und erstickten Stimmen der Dienerschaft zu hören waren. Wir mußten denn auch nicht lange warten, bis sich die Tür öffnete und Seine Heiligkeit Johannes XXII. im Schlafgemach erschien. Ein strebsamer und emsiger Cubicularius eilte ihm voran.
    Johannes XXII. mit weltlichem Namen Jacques Duèse, war ein Mann von kleiner Statur und unscheinbarem Äußeren, der sich mit Sanftheit und Eleganz bewegte, als vollführe er einen geheimnisvollen Tanz, dessen Musik nur er hören konnte. Er hatte kleine, runde, sehr eng zusammenstehende Augen, und sein ganzes Gesicht – Ohren, Nase,
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