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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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Leben eines Klostermönchs.«
    Überwältigt ließ ich mich auf einen der Schemel fallen und betrachtete begeistert meine Brüder. Da standen, mir genau gegenüber, die beiden ehrenwertesten und redlichsten Hospitaliter der christlichen Welt in ihren schwarzen Mänteln, mit ihren langen aus der Brünne quellenden Bärten und ihren geweihten Schwertern am Gürtel. Wie viele Schlachten hatten wir Schulter an Schulter geschlagen, wie viele Meilen des Weges waren wir zusammen fast bis in den Tod geritten, wie viele Stunden des Studiums, der harten militärischen Übung, des gemeinsamen Dienstes hatten wir zusammen verbracht! Und ich hatte bis dahin nicht einmal bemerkt, wie sehr ich sie vermißte, wie sehr ich meine Heimkehr ersehnte …
    »Ist ja gut«, erklärte ich und richtete mich auf, »gehen wir, hier habe ich alles gelernt, wozu ich hergekommen bin!«
    »Halt ein! Wohin willst du?« Den Kettenhandschuh gegen meine Brust gestemmt, hielt mich mein Bruder Gerard zurück.
    »Habt ihr nicht eben gesagt, ich müsse abreisen?«
    »Doch nicht nach Rhodos, Bruder. Du fährst vorerst noch nicht nach Hause.«
    Ich zog vermutlich ein ziemlich dummes Gesicht.
    »Das kommt ja nun wirklich nicht in Frage!« bemerkte Joanot. »Mein Wort darauf: Ich ertrage keine Tränen in den Augen eines Hospitaliters!«
    »Sei kein Dummkopf, Bruder. Tränen werden in euren hinterlistigen Augen glitzern, wenn ich mein Schwert erst wieder in Händen halte … und sobald ich natürlich wieder die Kraft habe, es zu schwingen.«
    »Du tust gut daran, Bruder, denn du siehst aus wie ein …«
    »Seid jetzt endlich still, ihr beiden!« brüllte Gerard. »Und du, Joanot, gib ihm die Briefe!«
    »Briefe? Was …?« Ich hielt inne und blickte Jonas streng an. »Jonas, geh hinüber ins Noviziat.«
    Widerwillig, weil er sich jene interessante Unterhaltung eigentlich nicht entgehen lassen wollte, trottete Jonas davon. Erst als er weit genug entfernt von uns war, fuhr ich fort:
    »… Was für Briefe?«
    »Drei sehr wichtige, Bruder Galcerán: einen des Seneschalls von Rhodos höchstpersönlich, unter dessen Befehl du stehst; der zweite vom Großkomtur der Hospitaliter von Frankreich, dem du in Zukunft zur Verfügung stehen wirst; und schließlich einen dritten von Seiner Heiligkeit Papst Johannes XXII. den der Herr beschützen möge und der die Schuld an diesen ganzen Briefen trägt.«
    Ich konnte nur noch ein trauriges »O Gott!« murmeln, bevor ich wie ein Sack ohnmächtig auf meine armseligen chirurgischen Instrumente sank.
    Die Schreiben duldeten keinen Widerspruch. Das des Seneschalls forderte mich auf, mich noch vor Ende Mai den Befehlen des Großkomturs von Frankreich unterzuordnen; das des Großkomturs von Frankreich, ich hätte mich vor dem 1. Juni am Papstsitz in Avignon einzufinden, und das Seiner Heiligkeit Papst Johannes XXII. enthielt meine Ernennung zum päpstlichen Gesandten mit allen Rechten und Würden, die dies umfaßte, im besonderen – wie er explizit herausstellte – das Recht, die schnellsten Pferde benutzen zu können, die ich in den Stallungen eines jeden Klosters oder jeder Pfarrei oder christlichen Wohnstätte von Ponç de Riba bis Avignon vorfinden würde … oder was, kurzgefaßt, auf dasselbe herauskam, daß ich binnen zwei Wochen dort einzutreffen hatte … Erstaunlich.
    Ich kümmerte mich persönlich darum, meine Brüder in den Zellen des Pilgerhauses unterzubringen, und danach, der Abend war schon vorgerückt, zog ich mich in die Kirche zurück, um nachzudenken. Man sollte nie etwas tun, ohne vorher alle möglichen Spielzüge zu überdenken, alle Eventualitäten durchzuspielen – die wahrscheinlichsten zumindest –, noch ohne vorher genauestens Gewinne und Verluste abzuwägen oder an die eventuellen Konsequenzen und Auswirkungen auf das eigene Leben und das derjenigen zu denken, die von einem abhängen … selbst wenn sie, wie in Jonas' Fall, nichts davon wissen sollten. So verbrachte ich den Rest des Abends und die ganze Nacht allein in der Kirche und hüllte mich ein letztes Mal in das weiße Klosterhabit, das ich bei Tagesanbruch ablegen sollte, um wieder in meine eigene Ritterrüstung zu schlüpfen, jene, die Galcerán de Born wiederauferstehen ließ, der siebzehn Monate zuvor in Barcelona an Land gegangen war.
    Ich betete mit den Mönchen im Kapitelsaal die Frühmette und bat dann den Prior, er möge mich für einige Augenblicke in seiner Zelle empfangen, um ihn über meine überstürzte Abreise aus dem
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