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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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war seine mütterliehe Linie doch von edlem Geschlecht, und er war Nachkomme des leonesischen Zweigs der Jimeno und des alavesischen Hauses der Mendoza, und alt und königlich war auch seine väterliche Linie, die, obgleich verarmt, dennoch nicht ihren Ursprung bei Wilfredo el Velloso vergaß. Durch seine Adern floß das Blut der Begründer der spanischen Königreiche, und in seinen Wappen – wenn er auch noch nicht wußte, daß er Wappen besaß – waren in den Heroldsstücken Burgen, Löwen und Tatzenkreuze zu sehen. Wenn, wie ich vermutete, jener Knabe wirklich Jonas war, so würde er nie, unter gar keinen Umständen, Mönch werden, so sehr er jetzt auch puer oblatus sein mochte; ihm war ein weitaus erhabeneres Schicksal beschieden, und niemand – nicht einmal die Kirche selbst – konnte verhindern, daß es sich erfüllte.
    »Von Schwitzkuren halte ich nicht viel«, murrte Bruder Borell, während er nur widerwillig die Segel strich. »Gegen die üblen Körpersäfte der Galle zeigen sie kaum Wirkung.«
    »Aber, Bruder!« protestierte ich. »Schaut genau hin, und Ihr werdet sehen, daß dieser Junge nicht an schwarzer Galle leidet, sondern nur eine einfache Erkältung hat, und außerdem steckt er mitten im Wachstum, im Übergang zum Mannesalter. Auf alle Fälle könnt Ihr ihm jedoch ein Heilpflaster aus gemahlenem Bimsstein, Schwefel und Alaun auflegen, das ihm das Ausschwitzen erleichtern wird. Und bereitet ihm auch einige Pillen gegen den Husten zu mit geringen Dosen an Opium, Castoreum, Pfeffer und Myrrhe …«
    Durch diesen Vorschlag überzeugt, der seine hochgeschätzte Begabung auf dem Gebiet der Kräuterheilkunde auf die Probe stellte, zog sich Bruder Borell nach hinten in seine Apotheke zurück, um die Mischungen zuzubereiten, während Jonas und der Novizenmeister mich bewundernd ansahen.
    »Ihr seid der Hospitalitermönch, der seit einigen Wochen in unserem Kloster weilt, nicht wahr?« fragte der Alte. »Ich habe Euch schon oft bei unseren Gebeten beobachtet. Es gehen so viele Gerüchte von Euch in unserer Gemeinschaft!«
    »Gäste erregen immer Neugierde«, begnügte ich mich mit einem Lächeln anzumerken.
    »Die Jungen reden ständig über Euch, und mehr als einen mußte ich bereits von den Fenstern der Bibliothek wegzerren, wenn Ihr Euch zum Studium dorthin begabt. Habt Ihr es nicht bemerkt? Dieser hier zum Beispiel, der mehr einer Katze denn einem Kind gleicht, hat deswegen schon viele Kopfnüsse davongetragen.«
    Als ich jetzt Jonas' schwärmerischen Gesichtsausdruck bemerkte, der mich wortlos anstarrte, begann ich zu lachen. Aufgrund meiner Körpergröße und der wohlausgebildeten Muskulatur, die der ständige Gebrauch des Schwerts meinen Armen und Schultern verliehen hatte, mußte ich ihm wie eine Art Herkules oder Samson vorkommen, vor allem, wenn er mich mit den Mönchen der Gemeinschaft mit ihren Tonsuren verglich, die stets nur fasteten und Buße taten.
    »So, so, du hast mich also durch das Fenster beobachtet …«
    Meine Stimme weckte ihn aus seiner Versunkenheit und ließ ihn hochschrecken. Er raffte die Schöße seines Habits, sprang vom Tisch herunter und rannte los, sauste durch die Tür wie ein geölter Blitz und verlor sich in den Gängen des Gebäudes.
    »Bei Gott!« schrie der Novizenmeister auf und machte sich an seine Verfolgung. »Er wird sich noch eine Lungenentzündung holen.«
    Von der Apotheke her entwich Bruder Borell, der den übelriechenden Wundverband in seinen Händen hielt, ein resignierter Seufzer.
    Das Herz der Bibliothek stellte das Skriptorium dar, ein Herz, das mächtig unter dem steinernen Gewölbe schlug und den wertvollen Codices Leben einhauchte, welche die Brüder scriptores mit soviel Ehrerbietung und Geduld abschrieben und illuminierten. Jeder, der im Kloster wohnte, sei er monacus , capellanus oder novicius , konnte sich darin unterweisen lassen, falls er dies wünschte. In einem angrenzenden Gebäude, in das man durch eine niedrige Tür gelangte, verwahrte man sorgfältig das Hauptarchiv, jenen großen dokumentarischen corpus , in dem Tag für Tag selbst die kleinsten Vorfälle der Abtei verzeichnet wurden. Wahrscheinlich konnte ich dort die nötige Auskunft über Jonas finden, weshalb ich den Prior um Erlaubnis bat, jene Chronik einsehen zu dürfen.
    »Worauf ist Euer überraschendes Interesse an den Annalen des Klosters zurückzuführen?«
    »Das ist eine lange Geschichte, verehrter Prior, aber ich kann Euch versichern, daß hinter meiner Bitte keine
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