Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
Vom Netzwerk:
zukünftigen Adlatus auszusuchen. Indes, warum so zögerlich? meinte das Schicksal höhnisch, so daß, kaum hatte ich die Pforte durchschritten, ein Schrei plötzlich all meine Fragen beantwortete:
    »Garcííííía!«
    Und García schoß an mir vorbei wie der Blitz, rannte so schnell wie damals, als er aus dem Spital floh, mit hochgerafftem Habit, damit es sich nicht in seinen Beinen verwickelte.
    Und wieder wurde es Weihnachten. In jenem Jahr begingen wir das Fest mit der traurigen Nachricht vom Tod des Abts von Ponç de Riba. Zwar hatte ich mich bemüht, die Schmerzen seiner letzten Tage mit großen Dosen Schlafmohn zu lindern, allerdings hatte es nicht viel genützt: Als ich seinen Bauch abtastete, geschwollen wie der einer Gebärenden und gleichermaßen hart, wußte ich, daß für ihn keine Hoffnung mehr bestand. Um ihm Mut einzuflößen, schlug ich ihm vor, jenes bösartige Geschwür zu entfernen, doch er weigerte sich schlichtweg, und unter großer Pein überantwortete er Gott seine Seele am Dreikönigsfest des Jahres 1317. Der entsetzliche Lärm der Ratschen war drei Tage lang hinter den Klostermauern zu vernehmen und ließ die Trauer, in die sich die Klostergemeinschaft versenkte, noch überwältigender wirken.
    Die pompösen und prunkvollen Trauerzeremonien, an denen auch die Prälaten der Bruderabteien aus Frankreich, England und Italien teilnahmen, zogen sich über mehrere Monate hin. Anfang April zog sich schließlich die Gemeinschaft unter dem Vorsitz des Abts des Mutterhauses, des französischen Klosters Bellicourt, zurück, um unter ihnen allen einen neuen Abt zu wählen. Die Beratungen wurden tagaus, tagein fortgesetzt, ohne daß die wenigen, die ausgeschlossen waren, auch nur das geringste darüber erfuhren, was im Kapitel vor sich ging; nach Ablauf einer Woche hatten wir uns jedoch an die Situation gewöhnt, ja, genossen sie sogar, denn die Anwesenheit des Abts von Bellicourt trug dazu bei, daß sich sowohl die Güte als auch die Menge unserer Mahlzeiten steigerte: an den Tagen, an denen es Fleisch gab, erhöhte der Küchenbruder die Portionen Kuh-, Hammel- oder Lammfleisch fast auf das Doppelte, und da es auf den Sommer zuging, reichte er dazu eine Petersiliensoße oder Agrest; mittwochs und samstags tischte er badulaque , ein Gericht aus zerkleinerten Innereien, auf, und die tägliche Brotration wuchs von einem halben auf ein ganzes Pfund für jeden an.
    Wir befanden uns schon in der dritten Woche des Kapitels, als an einem wannen Vormittag, an dem völlige Stille herrschte, der auf dem Kirchturm wachhabende Novize kräftig die Glocken zu läuten begann, um Besuch anzukündigen. Der Subprior verließ die geschlossene Gesellschaft, um sich um die Neuankömmlinge zu kümmern, und Bruder Cellerarius ließ aus dem Klostergarten einige dienende Brüder kommen, denen er die Gastgeberpflichten der abwesenden Mönche übertrug.
    Jonas und ich arbeiteten gerade in der Schmiede. Wir feilten dort an einigen feinen, chirurgischen Instrumenten herum, die wir ungeschickt und hingebungsvoll nach den Abbildungen des Meisters Albucasis hergestellt hatten. Weil Bruder Schmied nicht zugegen war, erforderte diese Aufgabe höchste Aufmerksamkeit, da unsere Legierungen und das Schmieden selbst viel zu wünschen übrigließen und die Instrumente immer wieder zwischen unseren Fingern wie Tonfiguren zerbrachen. So groß war unsere Konzentration auf das, was wir da gerade taten, daß wir nicht zum Empfang der Gäste eilten, wie dies angebracht gewesen wäre; es dauerte indessen nicht lange, bis sie sich ihrerseits in der Schmiede einstellten.
    »Ritter Galcerán de Born!« brüllte eine mir bekannte Stimme. »Wie könnt Ihr es wagen, den schmutzigen Lederschurz eines Schmieds in Gegenwart anderer fratres milites Eures Ordens zu tragen!«
    »Joanot de Tahull! … Gerard!« rief ich aus und hob ruckartig den Kopf.
    »Ihr werdet vom Provinzialmeister aufs härteste gerügt werden!« scherzte mein Bruder Joanot, während er mich heftig umarmte; der Lärm seines eisernen Kettenhemds und die Schläge seiner Schwertscheide gegen die Beinschienen weckten mich brüsk aus einem langen Traum.
    »Brüder!« stammelte ich, ohne aus meinem Staunen herauszukommen. »Wie kommt Ihr denn hierher?«
    »Mit der Ruhe ist es jetzt vorbei, Bruder, du mußt zurück an deine Arbeit«, meinte Gerard lachend und umarmte mich ebenfalls.
    »Deinetwegen sind wir gekommen, damit du nicht noch mehr einrostest und Fett ansetzt bei diesem sorglosen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher