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Iacobus

Iacobus

Titel: Iacobus
Autoren: Matilde Asensi
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bösen Absichten stecken.«
    »Ich wollte Euch mit meiner Frage nicht zu nahe treten, Bruder«, erwiderte er sofort verlegen, »selbstverständlich gestatte ich Euch, das Archiv zu konsultieren. Ich wollte mich lediglich eine Weile mit Euch unterhalten … Bald werden es zwei Monate sein, daß Ihr in unserem Kloster lebt, und bisher habt Ihr mit keinem der Mönche Freundschaft geschlossen, nicht einmal mit dem Abt, der sich bemüht hat, Euch in allem entgegenzukommen, soweit er es vermochte. Es ist uns bewußt, daß an einem Ort wie diesem, der nur dem Studium und der Kontemplation geweiht ist, außer unseren Büchern nichts Eure Aufmerksamkeit fesseln kann, doch wir hätten uns gewünscht, daß Ihr uns über Eure Reisen und Euer Leben berichtet.«
    Immer das gleiche Lied, dachte ich beunruhigt. Ich mußte mich in acht nehmen, oder wir Hospitaliter würden wie die Tempelherren enden …
    »Ihr müßt mich entschuldigen, verehrter Prior. Meine Zurückhaltung rührt nicht von meinem Stand eines Hospitaliters. Ich war schon immer so, und ich glaube nicht, daß ich mich jetzt noch ändern werde. Allerdings habt Ihr recht, vielleicht sollte ich mich den Brüdern mehr öffnen. Tatsächlich erzählte mir der Novizenmeister kürzlich von dem Interesse, das mir die pueri oblati entgegenbringen. Scheint es Euch angebracht, daß ich mich in den Ruhezeiten hin und wieder mit ihnen unterhalte?«
    »Bruder, die Jungen haben eine überbordende Phantasie! Eure Abenteuer würden sie nur über Gebühr erregen und ihnen den Schlaf rauben, der in ihrem Alter so vonnöten ist … Nein, es tut mir leid, solchem Ansinnen kann ich nicht zustimmen. Jedoch …«, fügte er dann nachdenklich hinzu, »… jedoch glaube ich, daß es gut wäre, wenn einer der älteren pueri als Adlatus in Eure Dienste treten würde; Ihr könntet ihm die Grundkenntnisse Eurer Wissenschaft vermitteln, so daß er später das Spital und die Krankenstation zu übernehmen in der Lage wäre.«
    »Zweifellos eine großartige Idee, verehrter Prior«, bestärkte ich ihn in seinem Vorhaben. »Soll ich ihn auswählen, oder bestellt Ihr ihn selbst zu meinem Adlatus?«
    »Oh, das hat keine Eile, wirklich nicht! Sprecht mit dem Bruder Novizenmeister und sucht selbst den novicius aus, der dafür das größte Talent zu besitzen scheint.«
    Jener Mönch war nicht zufällig Prior geworden, dachte ich angenehm überrascht.
    Noch am selben Nachmittag ging ich in die Bibliothek und zog aus den Regalen des Archivs die entsprechenden chartae des Jahres unseres Herrn 1303 hervor, Jonas' Geburtsjahr. Neben dem schönen Exemplar der Kommentare zur Apokalypse, ›In apocalypsim libriduodecim ‹, des Abts Beatus von Liébana und einem › Collectaneorum de re medica ‹ von Averroes breitete ich auf meinem Schreibpult eine Unmenge an Urkunden aus über Schenkungen, begonnene Arbeiten für den Bau von Kornkammern, über Einkünfte, Ausbesserungen des Kirchenschiffs, Ernten, Todesfälle und Geburten von Bediensteten, Testamente, Käufe und Verkäufe sowie eine Vielzahl von offiziellen und langweiligen Angelegenheiten. Zwei Tage lang suchte ich mit unendlicher Geduld, bis ich schließlich auf die Aufzeichnungen über die vor den Toren der Abtei ausgesetzten Kinder stieß. Da freute ich mich, nicht zu wissen, welchen Taufnamen die Mönche dem jungen Jonas gegeben hatten, denn es waren drei Säuglinge, deren Fälle es zu untersuchen galt, und so konnte keine Vorahnung meine Lektüre trüben.
    Eines der Kinder hob sich glücklicherweise gleich von Anfang an von den anderen ab: Am 12. Juni 1303, in aller Früh, fand der Bruder Operarius , der vor den Klostermauern den beschädigten Flügel einer Mühle instand setzen wollte, vor der Pforte in einem Korb ein Neugeborenes, das in kostbare Tücher gewickelt war, die allerdings keine besonderen Merkmale oder Stickereien aufwiesen. Um den Hals trug das Kind ein kleines Amulett aus silbern eingefaßtem Gagat in Form eines Fisches – was die Mönche zunächst beunruhigt hatte, fürchteten sie doch, daß es von Juden abstammte –, und zwischen den Windeln war ein Vellum ohne jegliches Siegel versteckt, auf welchem man um die Gunst bat, den Knaben auf den Namen García zu taufen. Ich suchte nicht weiter; ich besaß alle nötigen Beweise. Nun mußte ich nur noch bestätigt finden, daß jener García der Dokumente und Jonas aus der Krankenstation ein und dieselbe Person waren, weshalb ich, sobald es mir möglich war, zum Noviziat ging, um meinen
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