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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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wirklich so was. Hätte Anja da nicht selber Schuld
gehabt, ehrlich, oder nicht?
     
    Natürlich
war ihr nichts dergleichen widerfahren. Sie war auch gar nicht lange
weggeblieben. Die Uhr hatte gerade fünfmal ding dong gemacht, als sich der
Schlüssel schon wieder im Schloß drehte. Ich hatte eben noch Zeit, Hals über
Kopf in meinen Korb zu springen, als Anja kerngesund und anscheinend auch
fröhlich zur Tür hereinkam.
    Bis zum Abend geschah nichts
Aufregendes. Zwar faßte Anja, als sie sich auf die Couch setzte, ein paarmal
kopfschüttelnd hinter sich, sah mich auch forschend dabei an, sagte aber
nichts. Erst als es schon dunkel war, holte sie ein seltsames Kästchen aus dem
Kleiderschrank. Nicht größer als ein Telefon, etwas flacher vielleicht. Sie
stellte es sorgfältig auf den kleinen Couchtisch und fummelte ein Weilchen
daran herum.
    Ich hatte so ein Ding noch nie zuvor
gesehen, wußte also auch nicht, daß idi allen Grund hatte, dankbar dafür zu
sein, daß es so was überhaupt gab. Ich wunderte mich vorerst nur, daß sie zu
einem kleinen Stab sprach, der durch eine Schnur mit dem Apparat verbunden war.
Sie hielt den Stab locker in der Hand.
    Vorne am Kopf war er mit etwas
Ähnlichem wie Fliegendraht bespannt. Dort hinein sprach also Anja, als wäre es
ein Telefon. Aber es war kein Telefon. Sie wartete auch nicht auf Antwort,
sondern redete einfach hintereinander weg. Als ich mißtrauisch näher kam, um
den Kasten genauer zu betrachten, sah ich, daß sich darin zwei runde Scheiben
drehten. Eine wurde immer größer und die andere kleiner. Aber noch
interessanter als dieses unbekannte Gerät war das, was Anja dem schwarzen Stab
erzählte:
    »Bericht vom sechsundzwanzigsten
Juli. Habe heute nachmittag Wohngegend von Frau L. aufgesucht. Sprach mit der
Lebensmittelverkäuferin nebenan, dem Bäcker und einer Hausbewohnerin. Alle
bestätigten, daß Frau L. nicht mehr im Hause Bonner Str. 75 wohnt. Übrigens
ziemlich einfache, keineswegs komfortable Wohnungen. Wohin sie verzogen ist,
weiß niemand. Sie schien nicht sehr beliebt gewesen zu sein in der
Nachbarschaft. Man sprach zwar nicht schlecht über sie, aber auch nicht gerade
begeistert. Konkrete Angaben machte niemand. Besucht wurde sie selten, nur ein
Mann im Alter von ca. achtundreißig Jahren suchte sie ein paarmal auf. Sehr
interessante Feststellung: Sie zog erst im Mai in diese Wohnung ein. Können Sie
bitte bei Herrn X nachfragen, seit wann Frau L. in den Lord-Werken beschäftigt
war. Morgen werde ich versuchen, ihre jetzige Anschrift ausfindig zu machen.
Ende.«
     
    Ich
vermutete ganz richtig, was sich erst im Laufe der nächsten Zeit herausstellen
sollte, nämlich, daß Anja täglich diesem komischen Ding erzählte, was sie
herausgefunden, was sie unternommen hatte, wo sie gewesen war und was sie am
nächsten Tag vorhatte. Das war eine tolle Erfindung. Auf diese Weise wurde ich
auch dann über den Verlauf unseres Unternehmens unterrichtet, wenn es die
Umstände nicht gestatteten, daß ich Anja begleitete. Jeden zweiten Tag steckte
Anja eine von den runden Scheiben in einen Briefumschlag, den sie dann bei
unserem täglichen Rundgang in einen dieser gelben Kästen warf, die an Häusern
kleben. Ganz sicher waren die Briefe für Herrn Debray bestimmt, denn manchmal
las sie die Worte langsam und laut vor, die sie auf den Umschlag schrieb.
Außerdem kamen auch hin und wieder solche Briefe bei uns an, und wenn Anja dann
die flache Scheibe, die darin steckte, in die komische Sprechmaschine
einsetzte, hörte man eine Männerstimme, die der von Herrn Debray sehr ähnlich
war. Auf diese Weise konnten sich die beiden über jede Entfernung hinweg prima
unterhalten. Es dauerte zwar immer ein bißchen lange, bis die Antwort kam, aber
dafür hatte dieses sonderbare Ding sicher andere Vorteile, von denen ich nichts
wußte.
    Ich war’s jedenfalls zufrieden, auf
diesem etwas ungewöhnlichen Wege stets die neuesten Nachrichten zu erfahren.
Schon am nächsten Tag lag ich wieder ungeduldig auf der Lauer, bis Anja den
Apparat aus dem Kleiderschrank kramte, denn auch heute hatte sie meine
Mitwirkung verschmäht. Nicht, daß ich mich gelangweilt hätte während ihrer
Abwesenheit. O nein, ich hatte vielmehr die Gelegenheit wahrgenommen, meine
erste, etwas oberflächliche Inspektion unserer Wohnung während dieser Zeit
wesentlich gründlicher fortzusetzen.
    Ich habe unsere halbe Portion von
Badezimmer ausgiebig gemustert, einschließlich Badewanne, da es nach
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