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Hurra, die Lage wird ernst

Hurra, die Lage wird ernst

Titel: Hurra, die Lage wird ernst
Autoren: Annette Bell
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denken, was du an meiner Stelle tun würdest. Zum Beispiel nach
Hause rennen und bei den Eltern Kratzfüße machen, ihre Vorwürfe anhören, weil
alles ein bißchen anders gekommen ist, und alle Zukunftsträume aufgeben, das
würdest du tun, oder?«
    »Natürlich nicht, aber es mußte ja
nicht gleich eine Sache sein, von der du nichts verstehst.«
    »Dann lerne ich’s eben. Außerdem
dürfte auch bei dieser Aufgabe mein Schauspielstudium nicht ganz vergeblich
gewesen sein, denn ich kann mir verschiedene Situationen vorstellen, in denen
es mir sicher helfen wird, wenn ich ein bißchen Theater spiele. Außerdem bleibe
ich bei dieser Gelegenheit auch wenigstens in der Übung.«
    Oliver sah auf seine Armbanduhr und
erhob sich dann schnell.
    »Wie du meinst. Du machst ja doch,
was du willst, was soll ich da noch lange reden. Jedenfalls weißt du jetzt,
wo’s langgeht. Ich drücke dir alle Daumen, toi, toi, toi.«
    »Danke«, sagte Anja und hielt lange
seine Hand fest.
    »Du hörst doch sicher meine Berichte
ab, da kannst du dir ja gleich ein Bild machen, ob es klappt oder nicht.«
    Als Oliver fort war, sank Anja
deprimiert auf die Couch.
    Sie stützte den Kopf in beide Hände
und schien angestrengt zu überlegen. Sicher hatte sie auch Oliver gegenüber
Theater gespielt, denn so optimistisch, wie sie sich noch vor ein paar Minuten
gegeben hatte, war sie jetzt nicht mehr. Sie brauchte Trost. Trost und
Unterstützung. Ich war doch bei ihr, hatte sie das
vergessen? Still setzte ich mich neben sie und rieb meinen Kopf an ihrer Wade.
Gedankenverloren griff ihre Hand nach mir, kraulte meine Ohren, strich mir über
Gesicht und Hals, und ganz leise sagte sie:
    »Da haben wir uns was Schönes
eingebrockt, wir beide.«

Es geht los
     
    Nachdem
wir zu Mittag gegessen hatten, sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Die
Sonne schien, das Radio spielte, und Anja war dabei, sich fertigzumachen. Es sah
so aus, als läge der Augenblick, in dem wir den wackligen Pfad der
Verbrecherjagd betreten würden, in gar nicht allzu weiter Ferne.
    Sorgfältig bemalte sich Anja mit
einem Stift das Gesicht, bürstete ihre Wimpern mit einem winzigkleinen
Bürstchen, kämmte ihr Haar, probierte ein Hütchen, später ein anderes. Alles
ließ ich sie geduldig tun, erst als sie nach der Tasche griff, den Schlüssel in
die Hand nahm und sich dann immer noch nicht anschickte, nach meiner Leine zu
greifen, um sie mir anzulegen, wurde ich unruhig. Ich tanzte aufgeregt um sie
herum, damit sie mich nur ja nicht vergessen sollte, kläffte wohl auch ein
paarmal zwischendurch, weil ich mich nicht mehr beherrschen konnte — leider
vergebens.
    Wer kann wohl meine Enttäuschung
ermessen, als sie mich zwar freundlich, aber bestimmt darüber belehrte, daß ich
zu Hause bleiben müsse, daß sie mich zu diesem Gang wirklich nicht mitnehmen könne.
    »Anja kommt bald wieder, sei schön
lieb.« Das waren ihre Abschiedsworte.
     
    Da
saß ich nun mit all meinem Tatendrang, meiner Hilfsbereitschaft, meinem
Jagdinstinkt. Was nützten meine besten Absichten, wenn man mich zu Hause ließ?
Da gab es nur eines, was mich trösten konnte. Ich bin kein Hund, der
stundenlang an der Tür steht und jammert. Wer Rasse hat, behält seinen Schmerz
für sich.
    An diesem Nachmittag machte ich es
wie Frau Jordan, wenn der gestrenge Herr Jordan seinen ganzen Tagesärger an ihr
ausgelassen hatte. Sie hatte ein Mittel gefunden, wie sie den Kummer, der an
ihr nagte, am besten vergessen konnte. Kaum war
    Herr Jordan aus der Tür, stürzte sie
sich auf ihre Pralinenschachtel, die — wie mir schien, extra zu diesem Zweck — im
Küchenschrank links unten bereitstand.
    Nun, was der Frau Jordan ihre
Pralinen, das war mir die Couch! Nur mußte ich aufpassen, daß Anja mich nicht
darauf erwischte.
    Während ich mich genüßlich auf dem
weichen Blau ausstreckte, tröstete ich mich mit wenig schönen Gedanken. Wenn
sie auf ihrem Gang nun keinen Erfolg hatte, wenn sie nun von jemandem bedroht
wurde, wenn sie angstschlotternd heimgerannt käme, wenn... Wenn das alles
geschähe, ließe sie mich dann noch einmal hier zurück? Nein, so dumm war sie
nicht. Also konnte mir gar nichts Besseres passieren, als daß ihr irgend jemand
entweder einen dicken Strich durch die Rechnung machte oder einen gehörigen
Schrecken einjagte. Das waren schändliche Gedanken, egoistisch und lieblos, und
ich schämte mich vor mir selber, daß ich überhaupt dazu fähig gewesen war. Aber
einmal angenommen, es passierte
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