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Hungerkralle

Hungerkralle

Titel: Hungerkralle
Autoren: Jürgen Ebertowski
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jetzt?«, flüsterte Karl. »Einfach
anklopfen und den Dicken bitten, uns die Aktentasche zu zeigen, geht ja wohl
schwerlich.«
    »Sie sagen es, Mister Charles. – Aber zu zweit sollten
wir den Herrn vielleicht besser nicht befragen. Womöglich gibt es auf der
Rückseite der Halle weitere Ausgänge. Ich hole schnell von der MP-Wache am
Kleistpark Verstärkung. Halten Sie derweil die Stellung?«
    Karl nickte. »Und wenn er unterdessen die Druckerei
verlassen will?«
    Miller gab ihm die Pistole. »Damit werden Sie ihn
bestimmt überzeugen können, auf mich zu warten.« Den Major verschluckte die
Dunkelheit.
    Karl steckte die Pistole ein und taxierte
die Strecke über den Hofplatz. Falls es dem Mann einfiel, mit einem der
Hanomags wegzufahren, würde er Mühe haben, rechtzeitig bei den Wagen zu sein.
Karl überlegte. Klüger wäre es, sich hinter dem Lastwagen zu verstecken. In
gebückter Haltung und sorgfältig auf seine Schritte achtend, schlich er über
den Hof.
    Als Karl sich zwischen den Autos
aufrichtete, blendete ihn plötzlich der Lichtkegel einer aufflammenden Lampe, und
eine Männerstimme zischte: »Umdrehen und Pfoten hoch, sonst knallt’s!«
    Karl tat, wie ihm befohlen. »Hören Sie,
ich wollte zufällig…«
    »Schnauze!«
    Die Lampe erlosch. Ein harter Gegenstand
wurde in Karls Rücken gedrückt. Dann glitt eine Hand in seine rechte
Manteltasche und zog die Pistole heraus.
    ›Linkshänder, er ist Linkshänder‹, schoss
es Karl durch den Kopf.
    »Ach nein, was haben wir denn da
Schönes?« Der Gegenstand bohrte sich tiefer in den Rücken. »Ich glaube, wir
unterhalten uns da drinnen mal ausführlicher.« Der Mann stieß Karl zur
Hallenschiebetür. »Oder meinst du etwa, ich bin blind und habe nicht gemerkt,
dass sich am Bahnhof Zoo jemand hinter mich geklemmt hat?«
    Drei, vier Meter waren es noch bis zur
Hallentür. Karl verlangsamte seine Schritte. Wie erhofft verstärkte der Mann
augenblicklich den Druck und knurrte: »Penn nicht ein! Dalli, oder…« Er konnte
den Satz nicht beenden, denn Karl drehte sich blitzschnell rückwärts nach links
um die eigene Achse. Der Mann, dessen Waffe keinen Widerstand mehr verspürte,
streckte reflexartig den Arm und drückte zweimal ab. Als der dritte Schuss
durch den Hof peitschte, hielt Karl bereits den Pistolenlauf mit seiner linken
und das Handgelenk des immer noch ausgestreckten Arms mit seiner rechten Hand
umklammert.
    Der Mann riss die Waffe zurück. Karl nutzte die
Bewegung, um gleichzeitig das Handgelenk des Schützen und den Pistolenlauf mit
aller Kraft von sich wegzudrücken. Wieder löste sich ein Schuss. Der Mann
wankte, seine Knie gaben nach.
    Karl, immer noch die Waffenhand eisern
umklammernd, entwand dem Mann die Pistole mit einem Ruck und richtete sie auf
den Fallenden. Der sackte vollends in sich zusammen, kam mit gespreizten Beinen
und abgewinkelten Armen auf dem Rücken zu liegen und bewegte sich nicht mehr.
Er rührte sich auch nicht, als Karl ihm einen Tritt versetzte und ihm barsch
befahl aufzustehen.
     
     
    Um dreiundzwanzig Uhr führte Major Miller
in der MP-Wache am Kleistpark ein längeres Telefongespräch mit Bill Gleason,
dann fuhr er Karl zur Schlüterstraße und setzte ihn dort ab: »Ich hätte jetzt
zwar Lust auf einen Drink, würde aber doch lieber dabei sein, wenn unsere
Experten von der Spurensicherung später die Druckwerkstatt unter die Lupe
nehmen.«
    Dem Lärmpegel am Eingang nach zu
urteilen, war im Oriental Bennos Geburtstagsfeier noch in vollem Schwung. Karl
gab der Garderobenfrau seinen Mantel. »Ach, da sind Sie ja wieder, Herr Meunier! Fräulein
Vera und der Chef haben Sie bereits gesucht.«
    Karl betrat den Saal. Die Luft war vor
Tabaksqualm zum Schneiden, die Kapelle gab ihr Bestes, und es wurde ausgelassen
getanzt. Er sah Edith und Sergeant Burns, Goldelse und Elektro-Klaus, aber
nirgendwo Vera oder Benno. Lilo stand hinter der Theke und unterhielt sich mit
dem kleinen Hansi. Sie hatte den Eintretenden bemerkt und winkte ihm zu.
    »Mensch, Karlchen, du siehst aber blass
aus um die Nasenspitze! Wo bist du denn bloß die ganze Zeit über abgeblieben?
Benno und Vera haben sich schon mehrmals nach dir erkundigt. – Schönen Gruß
übrigens noch von Birgit. Sie ist vor circa zehn Minuten mit Brandermann
gegangen, weil der anscheinend morgen sehr früh auf dem Flugplatz sein muss.«
    Hansi schaute Karl neugierig an, sagte
aber nichts.
    »Gib mir erst mal einen Schnaps, Lilo, am
besten einen doppelten.« Er setzte sich zu
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