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Hundstage

Hundstage

Titel: Hundstage
Autoren: Walter Kempowski
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größte Häuser bewohnten, mit Bodyguard allerdings, einem Chauffeur also oder einem Gärtner. Er komme nämlich weit herum in der Welt, Shilly Billy zum Beispiel, der sei sein Kunde, und der Fernseharzt Dr. Klaasen, der übrigens eine Doggenzucht besitze.

    Zum Schluß maß er die geschärften Klingen mit einem Zollstock nach, was schwieriger zu sein schien als das ganze Schärfen, und verlangte schließlich 6,40 Mark.

    Die von den Hunden bedrängte Frau schloß den Kofferraum, und Sowtschick lief ins Haus, um seine Brieftasche zu holen, was eine Weile dauerte, da er nicht genau wußte, in welchem Jackett sie steckte. Als er zurückkam, sah er, daß der Mann in den Rhododendron urinierte. Es mußte also gewartet werden, Zeit, sich der Frau zu nähern.

    Ob sie viel auf Achse seien, fragte Sowtschick, und die Frau sagte: «Geht so.» Und dann kam auch schon der Mann. Man wünschte einander guten Tag, und das seltsame Paar fuhr, einen Ölfleck hinterlassend, auf und davon. Die 6,40 Mark würden dem Fiskus nicht gemeldet werden, das war klar. Dieser Mann würde kein Steuerfiasko erleben wie Sowtschick im letzten Jahr.

    So wach war Sowtschick immerhin, daß er sich die Autonummer notierte, und zwar so, daß die beiden es mitkriegen mußten, daß er das tat. Er steckte den Zettel für alle Fälle in den Rahmen des barocken Garderobenspiegels, und dann setzte er sich nochmals in die Kaffee-Ecke. Die Frau war es, die ihn beschäftigte. Er versuchte ihr Bild so lange es irgend ging, scharf zu halten, doch leider verblaßte es rasch. Nur die Erinnerung an eine schmuddelige Hose behauptete sich. Sie ward zu der Sammlung anderer Unvergeßlichkeiten getan, die Sowtschick in seinem Inneren verwahrte.

    Nachdem er die letzte Tasse Kaffee geleert hatte – der Plattenspieler stellte sich klickend ab –, fiel es ihm ein, Engelbert von Dornhagen anzurufen, der jetzt gewiß in seiner Studierstube saß und an seinem Buch über Rustan, den Mamelucken Napoleons, schrieb. Beim ersten Klingeln des Telefons würde er denken: Das ist doch gewiß mein lieber Freund Sowtschick … Und dann würde es zu einem großen Gespräch kommen, über die dahinkrebsende literarische Landschaft hinweg, in der sich die sonderbarsten Existenzen breitmachten, aus dem hervorginge, daß ihrer beider Dasein einmalig, wenn nicht gar einzig sei.

    Leider hob in Hamburg niemand ab.

    Ein anderes Telefongespräch verlief ebenfalls ergebnislos, auch mit seinem Verleger war kein hohes Geistesgespräch zu führen.

    «Herr Dr. Hessenberg» sei «nicht ahnweßent», wurde ihm von der bayerisch sprechenden Sekretärin mitgeteilt.

    Wo isser denn? hätte Sowtschick am liebsten gefragt, statt dessen sagte er laut, nach Auflegen des Hörers natürlich erst: «Da sitzt man hier und schuftet, und dieser saubere Herr ist nicht anwesend. » Wahrscheinlich war er wieder mal ins Ausland gefahren, um zweitrangigen Autoren um den Bart zu gehen, statt sich zu freuen, daß er ein so gutes Pferd im Stall hatte wie ihn, Sowtschick, einen Schriftsteller, der pünktlich Manuskripte ablieferte, die von der Welt angenommen wurden, der keine Vorschüsse verlangte und außerdem in jeder Beziehung mit sich reden ließ, wenn man seine Werke allerdings nicht kurz zuvor als «vergnüglich» bezeichnet hatte.

    Sowtschick sah einen Augenblick den flinken Schwalben zu, wie sie ihre Jungen mit Insekten versorgten, und dann startete er einen dritten Versuch, mit der Welt Kontakt aufzunehmen. Auch dieser verlief negativ. Seine Freundin Carola Schade war ebenfalls «nicht anwesend», jedenfalls nahm sie nicht ab.

    Sowtschick lauschte dem Rufzeichen, und er dachte dabei an die weit zurückliegende Hotelsache, die ihn mit dieser Frau verband und an die sie einander zeitweilig lächelnd erinnerten.

    Draußen schmorte das Land unter der Hitze, der Himmel war weißgrau. Die Schwalben fuhren fort, ihrer Brut Mücken in den Hals zu stopfen, die Kühe lagen wiederkäuend auf dem verdorrten Gras. Sowtschick schlug den Hörer auf. Es war ihm unverständlich, daß er sich noch immer mit dieser Frau befaßte, obwohl doch so wenig dabei herauskam.

    I n diesem Augenblick erhob sich eine der Kühe, erst hinten, dann vorne, und trottete schwerfällig, doch zielstrebig auf sein Fenster zu. Es war die schöne Bianca, Sowtschicks Freundin. Sowtschick nahm den Salzstein aus der Schublade, befeuchtete ihn und trat hinaus in die Hitze, die auf ihn niederschlug: Die Zuneigung der freundlichen Kuh wollte er nicht
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