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Hummeldumm

Hummeldumm

Titel: Hummeldumm
Autoren: Tommy Jaud
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gleichen Mut, mit dem sie sich jeden Tag öffentlich durch den Wetterbericht schnatterte, fragte sie weiter: »Okay ... schon kapiert. Bis 1915. Aber ... warum haben wir das Land denn wieder aufgegeben? Ich meine ... ist doch schön hier.«
    »Maus, bitte!«, schnaubte Breitling und bekam einen roten Schamfleck auf der Wange.
    »Na ja, die Deutsche damals, die haben's ja nicht so richtig aufgegeben«, erklärte Bahee, »die haben da mal die Krieg verloren in Europa, und dann hat man hier halt mal die Gelegenheit genutzt und denen gezeigt, wo die Tür ist, ne.«
    Und weiter ging die Stadtrundfahrt. Wir sahen die wirklich schöne Christuskirche, den »Tintenpalast«, wie das Parlamentsgebäude hieß, und ein Denkmal mit einem deutschen Reiter drauf. Dann verließen wir die Innenstadt, um nach Katatura zu fahren, also ins wirkliche Windhoek, wie Bahee es nannte. Ich blickte auf die Uhr. 81 Busstunden hatte ich noch abzusitzen, wenn nichts dazwischenkam.
    Bald waren wir nicht mehr auf Asphalt unterwegs, sondern auf einer Staubpiste, die Häuser wurden kleiner und schließlich zu Hütten aus Wellblech, die Straßenlaternen verwandelten sich in hohe Flutlichtmasten, und als Bahee auf eine Anhöhe fuhr, sahen wir, dass der Mischmasch aus Stein, Blech und Sand sich noch kilometerweit erstreckte.
    Während wir die Eindrücke auf uns wirken ließen, gab die Gruberin kopfschüttelnd an, so einen Saustall wie hier noch nie gesehen zu haben. Brenda nutzte eine kurze Unaufmerksamkeit ihres Begleiters aus und fragte, warum so viele Leute hier in Blech und Pappe wohnten, wo doch der andere Teil Windhoeks viel schöner sei mit richtigen Häusern, Pools und Shops. Bahee erklärte Brenda ruhig, dass das mit dem Wohnort ja am Ende dann auch mal eine Geldfrage sei. Ich war beeindruckt, dass sich Bahee nicht einmal von der dümmsten Frage aus der Fassung bringen ließ.
    Wir rollten an einer blauen Bretterkneipe vorbei, vor der zwei Männer auf kleinen Blechstühlen saßen und ungerührt in den Bus blinzelten. Ich wusste nicht, ob ich zurückblinzeln oder wegschauen sollte. So recht wohl fühlte ich mich nicht, mit diesem Touristenbus durch anderer Leute einfaches Leben zu fahren, aber was sollten wir machen? >Klack< machte der Lautsprecher und >Bing< die Kamera meines Sitznachbarn.
    Bahee deutete auf einen kleinen Stand mit bunter Marken-Sportswear, der ebenso auf einem Wochenmarkt in Berlin oder Köln hätte stehen können. Dahinter sortierte eine alte schwarze Frau ihre Ware. »Schaut amal, hier verkaufen sie eure alte Kleider für viel Geld, ne!«
    »Das sind Fälschungen, oder?«, fragte Breitling.
    »Nee, das sind eure Klamotte aus Europa«, antwortete Bahee. »Also am besten is ihr schmeißt eure alte Klamotten gleich in die Abfall, sonst lande sie hier, und dann schaut die schwarze Schneider hier mal sparsam, wenn du an seine Shop vorbeilatscht mit eine brandneue Nike-Shirt für zwei Dollar, ne.«
    »Das ist echt gut zu wissen«, schnatterte Brenda, »ich schmeiß alles weg ab jetzt.«
    »Ja, Maus.«
    Mir fiel auf, dass die meisten Namibier auf der Straße praktisch kaum Notiz von unserem Bus nahmen. Lediglich ein paar kleine süße Kinder winkten uns und verzückten die Gruberin so sehr, dass sie vergnügt in die Hände klatschte und ausrief: »Ge, so a süßes Negerkind mit den großen Augen, des würd i a noch mitnehmen!«
    Das tat nun wirklich weh. Ich begann meine Schläfen zu massieren. Normalerweise entspannte mich das. Eigentlich hätte man die Gruberin ohne Vorwarnung aus dem Bus schmeißen müssen, aber sicher hätte keiner der Katatura-Bewohner gesagt: >Ge, so eine alte, weiße Rentnerin mit den vielen Falten, die würden wir ja mal gerne hierbehalten<.
    So schlecht war das »Elendsviertel« im Übrigen auch gar nicht. Klar, alles war irgendwie zusammengeschustert und einfach, aber es wirkte sauber und schien zu funktionieren. Die Bewohner waren gut angezogen, es gab befestigte Straßen und, wie Bahee uns erläuterte, auch eine Kanalisation, Strom und moderne Wasserpumpen, wo die Einwohner mit einer Chipkarte Wasser in bunte Plastikkanister füllen konnten. »Wenn der Chipkarte leergepumpt ist, ne, dann musst du dann mal zur Stadtverwaltung latschen und die neu aufladen, sonst bleibt die Whirlpool trocken, ne.«
    Gelächter im Bus. Und natürlich wollte es sich Witzprofessor Pepi Gruber nicht nehmen lassen, noch einen draufzusetzen. »Und wenn die Kartn leer is, können die sich dann was puumbn?«
    In freudiger Erwartung
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