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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Sonnenuntergang, hatte Lionetto Vasetti eine alarmierende Nachricht von Lorenzo Strozzi erhalten, dem Sohn des reichen Bankherrn Palla Strozzi. Darin hatte dieser ihm angedeutet, dass den Parteigängern der Albizzi große Gefahr drohe, und er hatte ihn aufgefordert, sich noch in der Nacht mit ihm an dem Ort zu treffen, wo er seinen neuen Palazzo hatte errichten wollen. Sie müssten unbedingt beraten, was zu tun sei.
    Doch als Vasetti zur vereinbarten Stunde in der Via dei Cresci erschien, wartete nicht Lorenzo Strozzi auf ihn, sondern Sandro Fontana in Begleitung eines zwergenhaften Mannes mit einer hässlichen Hasenscharte. Es war ein Leichtes für die beiden, Vasetti zu überwältigen, ihn zu knebeln und mit gefesselten Händen in die Ruine zu schleppen, hinauf ins oberste Geschoss, in einen großen Raum, über dem das Dach schon zu einem Gutteil abgedeckt war, sodass sich der klare Nachthimmel mit seinen funkelnden Sternen über ihnen wölbte. Vasettis Erschrecken schlug in blankes Entsetzen um, als sein Blick auf das Seil fiel, das von einem der Querbalken herabbaumelte und in einer Schlinge endete.
    Schnell lag die Schlinge straff gespannt um seinen Hals, während er mit zitternden Beinen auf einem dreibeinigen Schemel stand.
    »Das Gericht kann den Prozess eröffnen, da alle Beteiligten versammelt sind und die ihnen vorgeschriebenen Plätze eingenommen haben«, spottete Jacopo. Er saß auf einem der beiden ramponieren Armstühle, die sie mitgebracht und mitten in den Schutt des Zimmers gestellt hatten. Und zu Sandro gewandt sagte er: »Ich glaube, wir sollten den Angeklagten der Ordnung halber noch darüber unterrichten, dass mir die ehrenvolle Aufgabe des Richters obliegt, während du die Anklage vertrittst.«
    Sandro nickte stumm.
    »Was hiermit geschehen und zu Protokoll genommen ist«, fuhr Jacopo sarkastisch fort. »Was nun die Verteidigung betrifft, so geht das hohe Gericht davon aus, dass der Angeklagte Lionetto Vasetti diese selbst übernehmen wird.« Jacopo griff zu einer abgebrochenen Latte und schlug damit auf die Lehne seines wackligen Stuhls. »Das Gericht erklärt hiermit den Prozess gegen Lionetto Vasetti für eröffnet! Das Wort hat der Vertreter der Anklage, der ehrenwerte Sandro Fontana!«
    Sandro verzog keine Miene. Während Jacopo diese Szene mit einer Mischung aus grimmiger Genugtuung und mitleidlosem Spott genoss, spürte er nur kalten, bitteren Ernst. Er wusste, dass sie das Recht in ihre eigenen Hände nahmen und sich zum Richter über Leben und Tod machten. Aber Recht und Gerechtigkeit waren selten ein und dasselbe. Zu allen Zeiten gab es Unschuldige, die zu Unrecht verurteilt wurden, genau wie Verbrecher, die aus Mangel an Beweisen davonkamen. Lionetto Vasetti sollte nicht zu den Schuldigen gehören, die die Anklagebank als freier Mann verließen!
    »Hört gut zu, was ich Euch zu sagen habe«, begann Sandro mit eisiger Schärfe. »Wie lange Ihr lebt, hängt einzig und allein davon ab, ob Ihr Eure Verbrechen gesteht oder ob Ihr sie leugnet. Habt Ihr das verstanden?«
    Vasetti nickte mit angstverzerrtem Gesicht.
    »Gut, dann lasst uns zu Punkt eins der Anklage kommen: Euch wird zur Last gelegt, in Eurem Haus versucht zu haben, die Sklavin Tessa Brunetti zu schänden«, fuhr Sandro fort. »Wenn Ihr Euch im Sinne der Anklage für schuldig erklärt, zeigt es durch ein Nicken. Wenn Ihr etwas zu Eurer Verteidigung vorbringen wollt, schüttelt den Kopf. Das gilt auch für alle weiteren Fragen, die wir Euch stellen werden.«
    »Der Angeklagte äußere sich!«, forderte Jacopo ihn auf.
    Vasetti gab ein gequältes Gurgeln von sich, dann nickte er.
    »Prächtig! Der Angeklagte zeigt sich geständig«, sagte Jacopo mit vor Spott triefender Stimme. »Das lässt einen schnellen Prozess erhoffen. So ist nach der richterlichen Mühsal noch genug Zeit für einen kräftigen Umtrunk.«
    »Kommen wir zu Anklagepunkt zwei: Man wirft Euch vor, Eure Ehefrau vergiftet zu haben«, fuhr Sandro fort. »Bekennt Ihr Euch schuldig oder nicht schuldig?«
    Vasetti nickte sofort. Kalter Angstschweiß lief ihm über das Gesicht.
    »Und jetzt zu Anklagepunkt drei: Habt Ihr den Mord an Eurer Frau der Sklavin Tessa Brunetti angehängt und das dazu verwendete Gift in ihrer Kammer versteckt?«
    Wieder nickte Vasetti hastig.
    »Wunderbar!«, meldete sich Jacopo wieder zu Wort. »Somit haben wir alle Anklagepunkte ausführlich behandelt. Das Gericht nimmt zu Protokoll, dass Lionetto Vasetti sich in allen Punkten für schuldig
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