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Hüter der Macht

Hüter der Macht

Titel: Hüter der Macht
Autoren: Rainer M. Schroeder
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murmelte Vicenzo ratlos.
    Jacopo musste ein Grinsen unterdrücken. Genau diese Reaktion hatte Sandro vorausgesagt. Der Kerkermeister würde zuerst rundweg ablehnen, doch dann würden Neugier und Angst siegen. Schließlich saß er wirklich dick in der Tinte. Wie verabredet, machte Jacopo nun allerhand Vorschläge, von denen sie wussten, dass der Kerkermeister sie ablehnen würde. Auf diese Weise bereitete er ganz langsam und unverdächtig den Boden für den Plan, den Sandro und er ausgeheckt hatten.
    »Du hast recht, gewaltsam in den Kerker einzudringen oder den bewachten Gefangenentransport zum Gericht zu überfallen, das wird nicht gelingen«, pflichtete er Vicenzo bei. »Aber warte mal! Was ist denn, wenn du sie allein zum Gericht schickst, nur von zwei deiner Wärter begleitet? Die ließen sich doch leicht außerhalb des Gefängnisses überwältigen, ohne dass Blut dabei fließt. Vor allem dann, wenn du sie durch die Seitengassen schickst, was ja auch der kürzeste Weg zum Gericht wäre. Es müssen ja nicht gerade die hellsten und kräftigsten Kerle sein, die du zu ihrer Bewachung abstellst.«
    Die Miene des Kerkermeisters hellte sich auf. Aber dann verdüsterten sich seine Züge wieder und er schüttelte den Kopf. »Verdammt, das geht auch nicht!«
    »Und warum nicht?«
    »Weil ihr Name auf der Liste der Gefangenen steht, die mir tags zuvor vom Gericht zugestellt wird. Man wird mich zur Verantwortung ziehen, wenn ich es versäume, sie rechtzeitig aus ihrer Zelle zu holen, damit sie mit den anderen auf dem gut bewachten Wagen zum Gericht gebracht wird.«
    »Verstehe«, sagte Jacopo und schwieg kurz. »Aber was ist, wenn nicht du den Fehler machst, sondern einer deiner Leute? Vielleicht einer, der nicht gerade eine Leuchte ist? Dann bist du doch aus dem Schneider.«
    Der Kerkermeister überlegte einen Moment. »Das ließe sich einrichten. Das Dumme ist nur, dass auch der Einfältigste unter meinen Wärtern sich zumindest so gut aufs Lesen versteht, dass er die Namen auf der Liste entziffern kann«, wandte Moravi ein.
    »Das ist kein Problem«, sagte Jacopo sogleich. »Wenn du die Namensliste schon am Tag vor dem Transport erhältst, kann ich dafür sorgen, dass du rechtzeitig eine zweite Liste bekommst, auf der der Name dieser Tessa Brunetti nicht steht. Sogar mit Unterschrift und Siegel.«
    Moravi schüttelte verständnislos den Kopf. »Und was soll mir das helfen?«
    »Die vertauschst du dann mit der echten Liste. Ist doch ganz einfach!«
    Der Kerkermeister bedachte ihn mit einem teils skeptischen, teils hoffnungsvollen Blick. »Das kannst du wirklich hinkriegen?«
    »Und ob! Ist doch alles nur eine Frage des Geldes und der Beziehungen«, versicherte Jacopo. »Die Beziehungen habe ich und der Kerl, der für diese Tessa alles zu tun und zu zahlen bereit ist, bezahlt den Fälscher und alles andere.«
    »Und du meinst, für mich können dabei wirklich dreißig Goldflorin herausspringen?«, vergewisserte sich Vicenzo noch einmal.
    Jacopo nickte. »Garantiert. Aber am besten trittst du nicht in Erscheinung, sondern überlässt mir das Aushandeln. Ich mache das Geld locker und besorge dir die Fälschung.« Und mit einem Grinsen fügte er hinzu: »Und wenn du jetzt befürchtest, mir eine Scheibe von dem Kuchen abgeben zu müssen, kannst du unbesorgt sein. Ich hole mir schon meinen Anteil, aber nicht von dir, sondern von dem Medici-Freund. Was ist nun? Sollen wir es so machen oder willst du dir lieber von Fabio ein paar Knochen brechen lassen? Mann, das wird das Geschäft unseres Lebens, bei dem gar nichts schiefgehen kann.« Er streckte Moravi die Hand entgegen: »Schlag ein, mein Freund!«

18
    M it nackten Füßen, die Hände auf dem Rücken gefesselt, stolperte Tessa zwischen den beiden Wärtern durch das Tor des Gefängnisses. Sogleich wurde sie von den Menschen auf der Straße begafft und mit hämischen Zurufen bedacht. Eine dünne Eisenkette lief zwischen ihren Händen hindurch und verband sie rechts und links mit den Wärtern, die jeweils ein Ende der Kette in einen Eisenring an ihrem Ledergurt gehakt hatten.
    In ihrer grenzenlosen Angst nahm sie die Blicke und die Zurufe kaum wahr. Das ihr inzwischen fremde Tageslicht umgab sie wie eine milchige Glocke, die alle Geräusche um sie herum dämpfte und ihre Umgebung zu einem verschleierten Bild schemenhafter Gestalten und Konturen machte. Selbst das Toben des Kerkermeisters und seine wüsten Verwünschungen, die zwei Wärtern gegolten hatten, waren kaum in ihr
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