Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hueter der Daemmerung

Hueter der Daemmerung

Titel: Hueter der Daemmerung
Autoren: L. A. Weatherly
Vom Netzwerk:
gut es ging, mit dem Gästehandtuch ab. Er schaute in den Spiegel und fuhr sich durch sein nasses Haar. Wenn es zu kurz war, lockte es sich, was ihm auf die Nerven ging. Deshalb trug er es immer ein wenig länger und strich es sich aus dem Gesicht, damit es ihm nicht in die Augen hing. Ein oder zwei Locken fielen ihm aber immer in die Stirn, nur um ihn zu ärgern.
    Als er sich wieder anzog, klebten Jeans und T-Shirt an seiner feuchten Haut, aber die Hitze draußen würde ihn innerhalb kürzester Zeit wieder trocknen. Er ließ seinen Blick durch das Badezimmer schweifen, um sicherzugehen, dass er es so hinterließ, wie er es vorgefunden hatte. Dann lief er die Treppe hoch. Er konnte es kaum erwarten, sich auf den Weg in die Sierra Madre und zu der Adresse in seinem Rucksack zu machen. In dem grünen rüschigen Schlafzimmer blieb Seb kurz am Fenster stehen und sah sich um.
    »Garcías«, murmelte er der abwesenden Frau zu und lächelte. Dann schwang er sich geschickt aus dem Fenster.
    Per Anhalter zum Waisenhaus zu gelangen, dauerte eine Weile. Das war eben manchmal so. Gegen Abend nahm ein Lastwagenfahrer, der ohne Unterlass über seine Freundin redete, Seb das letzte Stück des Weges mit. Seb rauchte eine Zigarette, die der Mann ihm gegeben hatte, und lehnte sich in dem Kunststoffsitz des Führerhauses zurück. Er stemmte einen Fuß gegen das Armaturenbrett und hörte nur mit halbem Ohr zu, während er sich an dem vertrauten Geschmack freute. In letzter Zeit hatte er selten genug Geld, um es für Zigaretten zum Fenster hinauszuschmeißen.
    »Also habe ich zu ihr gesagt, chiquita, nicht mit mir – das habe ich dir jetzt schon zweimal erklärt. Du musst zuhören, wenn ich mit dir rede. Kapieren, was ich sage, verstehst du?« Der Mann sah Seb an, als erwarte er eine Reaktion. Er hatte ein breites Gesicht mit dichten Augenbrauen.
    »Absolut korrekt, Mann«, sagte Seb und stieß eine Rauchwolke aus. »Gut für dich.« Er hätte viel lieber gelesen, als sich diesen Mist anzuhören. Unglücklicherweise gab es eine Art ungeschriebenes Tramper-Gesetz: Sich zu unterhalten war der Preis für eine Mitfahrgelegenheit.
    »Aber hört sie mir überhaupt jemals zu? Nee, die ist mit ihren Gedanken immer woanders. Hoffnungslos. Schön, aber …« Der Mann quasselte weiter, ohne Punkt und Komma.
    Seb betrachtete ihn träge und bemerkte die zornigen roten Linien, die wie Blitze seine Aura durchzuckten. Als er in den Laster geklettert war, hatte er seine eigene Aura an die des Fahrers angepasst, die blau und gelb schimmerte. Er wusste, dass der Mann das weder sehen noch spüren konnte, aber es war eine alte Gewohnheit, die noch aus seiner Kindheit herrührte. Er hatte sich damals immer sicherer gefühlt, wenn er seine Aura den anderen in seiner Umgebung anglich. Unauffälliger.
    Aber je länger Seb diesem Schwachmaten zuhörte, desto weniger wollte er seine Aura mit ihm teilen. Er ließ seine Aura wieder ihre natürliche Färbung annehmen, als er ein Bild von dem Mann auffing, wie er in einer Küche herumbrüllte. Vor ihm stand eine dunkelhaarige Frau, die einen verängstigten Eindruck machte. Seb hatte allerdings nicht das Gefühl, dass der Lastwagenfahrer ihm gefährlich werden konnte. Er schien genau der Typ zu sein, der ausschließlich Schwächere schikanierte. Seb wusste, dass er es höchstwahrscheinlich gespürt hätte, wenn er sich hätte sorgen müssen – außerdem hatte er immer ein Springmesser in der Tasche. In Mexiko hatte man immer eine Waffe dabei, wenn man allein unterwegs war – es sei denn, man war vollkommen bescheuert.
    »Du zum Beispiel«, fuhr der Kerl fort. »Wie alt bist du? Siebzehn, achtzehn?«
    »Siebzehn«, erwiderte Seb und blies eine weitere Rauchwolke in die Luft. Er war letzten Monat achtzehn geworden, machte sich aber nicht die Mühe, mit der Information herauszurücken.
    »Ja, und ich wette, die Mädchen fliegen nur so auf dich, hab ich recht?« Der Mann stieß ein lautes Wiehern aus. Seine Aura lachte mit und flackerte orange. »Mit deinem Gesicht und dem Dreitagebart siehst du aus wie ein Rockstar … als wären alle Mädels scharf auf ein Poster von dir. Aber wenn ich dir einen Rat geben darf, amigo, lass sie niemals …«
    Innerlich rollte Seb mit den Augen. Er schaltete ab und wünschte, er könnte wenigstens Radio hören. Die Leute gaben häufig Kommentare zu seinem Aussehen ab – aber sein Aussehen half ihm auch nicht weiter. Deshalb bekam er trotzdem nicht das, was er wirklich wollte.
    »Und wo
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher