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Hühnergötter

Titel: Hühnergötter
Autoren: Birgit Lautenbach
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»Wo ist das Kind, dessen Existenz in Sandras Leben scheinbar keinerlei Spuren hinterlassen hat? Nur in ihrem Körper, das stand nach der Obduktion zweifelsfrei fest.«
    »Und haben Sie es …?«
    Ostwald nickte nachdrücklich. »Es geht ihm gut. Sehr gut sogar, wenn ich das sagen darf. Obwohl …«
    »Gott sei Dank«, seufzte Marie und wünschte sich nur noch, dass all dies ein Ende nahm. Keine Details mehr, keine Hintergründe. Einfach einen Doppelstrich ziehen und Schluss. Sie sehnte sich nach ihrem Alltag.
    »… obwohl sein Start ja alles andere als rosig war. Sie kennen das Kind, haben es jedenfalls schon einmal gesehen. Marten Buhrow fand es vor zwei Jahren am Himmelfahrtsmorgen in einem Strandkorb.«
    Angelina. So hatten die Polizisten das kleine Mädchen damals genannt. Es sollte nicht namenlos sein.
    Aber was sie auch anstellten, die Frau fanden sie nicht, die es irgendwann in der Nacht zur Welt gebracht hatte. Mehr als ein Jahr waren sie jeder Spur, jedem Hinweis nachgegangen, jedem noch so vagen Verdacht gefolgt und wollten nicht wahrhaben, dass sich die Mutter nicht finden ließ.
    Am Ende wusste man nur, dass sie von der Geburt überrascht worden war. »Fünf, sechs Wochen hätte es gut noch gebrauchen können«, sagten die Ärzte über das Neugeborene und meinten damit die Zeit in der dunklen, warmen Sicherheit eines Frauenkörpers. Nachdem man die wichtigsten Daten gespeichert hatte, landete die Akte erst einmal bei den ungelösten Fällen.
    »Es war überhaupt kein Problem, Sandra Marwede das Kind zuzuordnen«, erklärte Ostwald. »Und jetzt interessiert uns nur noch, was Sie von unserer Theorie über den Vater halten.« Während er sprach, zog er aus seiner Mappe ein anderes Foto. »Das hier haben wir in Sandra Marwedes Wohnung gefunden. Es war das einzige. Eingeklemmt hinter einer Schublade. Alle anderen wird sie vernichtet haben.«
    Marie konnte erkennen, dass es geglättet worden war. Querfalten zogen sich durch die bunte Fläche und ließen an brüchigen Stellen weißes Papier durchscheinen. Trotzdem wusste sie sofort, dass es Oliver war. Die Haare zerzaust, als komme er gerade aus dem Bett, am braun gebrannten Oberkörper haftete feiner Sand wie eine zuckrige Schicht. Marie starrte auf das Bild und ballte im Schoß ihre Hände zu Fäusten.
    »Nun ?«, fragte Ostwald mit hochgezogenen Brauen, als ob vollkommen klar sei, was er hören wollte.
    »Was nun ?«, wiederholte Oliver stur.
    Marie hörte, wie trocken sein Mund war, und sah, dass er sich die Lippen leckte.
    »Herr Eggert, wir sind den Umgang mit Lügnern gewohnt. Es überrascht uns nicht mehr, irgendwelche billigen Märchen aufgetischt zu bekommen. Was aber nicht heißt, dass uns das nicht gereizt machen kann. Sehr gereizt!«
    »Soll das vielleicht eine Drohung sein?«
    »Meinetwegen, ja. Fühlen Sie sich ruhig bedroht, aber erzählen Sie uns endlich, dass Sie Sandra Marwede kannten. Ziemlich gut sogar, würde ich sagen. Dass Sie der Vater oder besser gesagt der Erzeuger von Angelina sind. Dass Sie uns seit mehr als zwei Jahren an der Nase herumführen! Nicht nur uns, auch Ihre Frau, überhaupt jeden, der mit Ihnen zu tun hat. Und dass Sie mit Ihrem Schweigen in diesem schäbigen Theater sogar Leonies Leben aufs Spiel gesetzt haben!«
    »Sie wissen hoffentlich selbst, welchen Unsinn Sie da erzählen.« Oliver klang gelassen, aber er presste die flachen Hände so fest gegen die Oberschenkel, dass sich unterhalb seiner Shorts Dellen in der Haut bildeten.
    »Ganz und gar nicht, Herr Eggert. Im Gegenteil. Wir sind sogar fest davon überzeugt, dass wir endlich die Wahrheit herausgefunden haben.« Ostwald kramte aus seiner Aktentasche eine Plastiktüte mit Schriftfeldern und entnahm ihr die Probenhülse mit dem Abstrichstift. »Und das wird ein DNA-Vergleich auch beweisen.«
    der feste Zopf, zu dem Marie Leonies Mütze gewrungen hatte, zerriss mit einem knirschenden Geräusch, wie es dünne, trockene Zweige machen, wenn sie unter schwerer Last brechen. Die Lawine war angekommen. Marie glaubte ersticken zu müssen.
    »du hast … ohne … wir waren …« die Worte wollten sich nicht aussprechen lassen. Marie rang nach Luft. Sie riss an ihren Haaren, warf ihren Kopf hin und her und sprang auf. »Du hättest sie umgebracht! «, schrie sie und schlug mit all ihrer Kraft in sein Gesicht.
    Gleich würde die Sonne aufgehen. Über die dächer schickte sie ein glühendes Rot voraus, vor dem grau und dunstig der Oktobernebel hing.
    Marten zog die Tür
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