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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Autoren: GABAL Verlag
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Allererstes nur sich selbst im Blick. Damit steht es um die Selbstüberschätzung des Menschen schlimmer als je zuvor: Alles um dich herum ist nur für dich und zu deiner Unterhaltung da.
    Es gibt Wichtigeres als deine Befindlichkeit.
    Erst einschneidende Erlebnisse erinnern dich daran, dass es angemessen ist, den Ball flach zu halten. Dass es auf der Welt auch anderes, Wichtigeres als deine Befindlichkeit geben kann. Meine Rosenheimer Erfahrung hatte jedenfalls diese Wirkung. Du nimmst die Welt verzerrt durch die eigene Brille wahr. Erst wenn du die Dinge auch mal von einer höheren Warte als deinem Ego anschaust, überwindest du das egozentrische Weltbild. Und bekommst den Überblick darüber, wie es wirklich ist. Beispiel Europa. Immer noch heißt es: Ich ich ich. Die Deutschen, die Griechen, die Italiener. Nationaler Dünkel, nationale Eifersüchteleien. Klar, in einem größeren Maßstab als »Wir in Klein-Kleckersdorf« zu denken bekommt man nicht über Nacht in die Köpfe hinein. Aber wann werden sich die 700 Millionen Einwohner der Alten Welt endlich als Europäer sehen? Dringend notwendig ist es. Denn nur im Verband, nicht als Einzelstaaten werden wir die Herausforderungen durch Länder wie China und Indien bestehen können.
    Frank Schirrmacher hat in seinem Buch
Minimum
ein gutes Beispiel dafür gefunden, wie wichtig es ist, nicht als Einzelkämpfer durchs Leben zu ziehen. Im Winter 1846 / 47 sitzt ein Siedlertreck aus wohlhabenden Deutschen und Österreichern in der Sierra Nevada fest. Sie haben es nicht geschafft, rechtzeitig vor dem Schneeeinbruch mit ihren Planwagen den letzten hohen Pass zu überwinden. Knapp achtzig Menschen sind es, die in den eilig errichteten Notunterkünften gegen Kälte und Blizzards ankämpfen. Sechs Monate müssen sie ausharren, bis der Pass wieder befahrbar ist. Nahrung und Kleidung ist nur in der ersten Zeit genug da, ständig muss Holz geschlagen werden, damit das Feuer die Kälte vertreibt. Alles, was entbehrlich ist, wird verbrannt. Ganze Bibliotheken wandern in dem endlosen Winter in die Flammen. Jeder Tag ein Kampf ums Überleben. Bald fordern Überanstrengung und Unterernährung die ersten Opfer.
    Die Hälfte der Siedler kam am Donner-Pass ums Leben. Aber die größten Chancen auf ein Überleben hatten nicht die allein reisenden Männer, stark, unabhängig, zwischen zwanzig und vierzig Jahre alt. Die meisten Einzelreisenden kamen um. Es waren diejenigen, die in Familien eingebettet waren, die von dem sozialen Verhalten untereinander profitierten, die den nächsten Frühling sahen. Wie sich herausstellte, waren die Aussichten auf ein Überleben umso größer, je stärker die sozialen Bindungen des Einzelnen in dieser Gruppe waren. Oder anders gesagt: Je größer die Familie, desto sicherer die Rettung.
    Sieh es ein: Es gibt Dinge, die größer sind als du. Es geht nicht immer nur um dich. Du bist nicht das Zentrum der Milchstraße. Aber du bist auch kein bedeutungsloser Staubpartikel. Nimm dich ernst, aber mach nicht den Fehler zu denken, dass sich alles ausschließlich um dich dreht. Und schon gar nicht, dass du unersetzbar bist.
    Ich nenne das: demütig sein. Denn es gehört Demut dazu, sich selbst zurückzunehmen. Sich als Teil eines Ganzen und nicht als das Maß aller Dinge zu begreifen. Um die eigene Größe und Bedeutung wissen, das ist Demut.
    Aber heißt das, dass du dich am besten von jedem Fünkchen Selbstwertgefühl verabschieden musst und jeder Gedanke an eine Entscheidung ohnehin vertan ist? Zum Glück nicht.
In einer anderen Welt
    Entscheidungen sind nicht absolut. Was wäre geschehen, wenn Sullenberger genauso reagiert hätte, wie er es tat, seine Maschine aber im Hudson versenkt hätte? Alle Insassen ums Leben gekommen, die Suche nach der Black Box, sich über Monate hinziehende Bergungsarbeiten, um die Trümmer des Flugzeugs aus dem Fluss zu holen. Wenn auf dem Hudson ein etwas höherer Wellengang geherrscht hätte; wenn da eine Bö gewesen wäre; wenn der Pilot es nicht geschafft hätte, die beiden Tragflächen exakt auf gleicher Höhe zu halten, damit keine der beiden Flügelspitzen ins Wasser geriet …
    Ganz klar: Die Sache hätte auch schiefgehen können.
    Dann hätte es mit Sicherheit geheißen: Warum ist der Idiot Sullenberger nicht zurück nach La Guardia oder zum Ausweich-Flughafen in New Jersey geflogen, so wie es der Tower wollte? Dass das gar keine Option gewesen war, wäre vergessen gewesen. Sullenberger wäre als der Pilot in die Geschichte
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