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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Autoren: GABAL Verlag
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nicht unter den Ländern, die als Erstes im Wettlauf um die Rohstoffe abgehängt werden.
    Etwas von langer Hand vorbereiten, einen langen Atem zeigen, Zeit und Geld investieren, auch wenn sich der Erfolg erst in Jahren oder sogar Jahrzehnten zeigen wird – nur wenige können das. Kaum einer hat die Geduld für eine Investition, die sich erst in ferner Zukunft auszahlen wird. Wir Menschen sind leider nicht so gebaut.
    Dazu sind wir noch viel zu nah an unseren Vorfahren dran. Die mussten sich mit akuten, tagesaktuellen Dingen herumschlagen: etwas zum Essen finden – und nicht gefressen werden. In die Zukunft zu denken, heute auf etwas zu verzichten oder in etwas zu investieren, um es im nächsten Jahr doppelt zurückzubekommen, wäre purer Luxus gewesen. Wer wusste denn schon, ob er in einem Jahr überhaupt noch lebt? Ein Kühlschrank zum Füllen ist in unserer biologischen Ausstattung nun mal nicht vorgesehen.
    Was dem Menschen mehr liegt: Jetzt entscheiden und im nächsten Moment die Wirkung genießen. So ist das bei Kindern auch heute noch: Wenn man an einem Hebelchen dreht, dann muss da auch sofort ein Kaugummi aus dem Automaten kommen.
    Aber so funktioniert das nicht im Leben.
    Heute haben die Menschen, die nicht auf Belohnung warten können, viele Nachteile. Die Extremfälle unter ihnen machen ihre Umgebung mit ihrer Ungeduld und hektischen Betriebsamkeit ganz rappelig. Zum Dank werden sie mit dem Stempel ADHS versehen und mit Ritalin ruhig gestellt. Ihnen wie allen anderen, die zwar ihren Aktivitätslevel etwas mehr im Griff haben, aber ansonsten genauso wenig warten können, geht ein wichtiger Steuermechanismus für ihr Leben verloren.
    Es wird nicht investiert, sondern alles sofort verbraten.
    Den meisten Menschen kommt es nicht in den Sinn, wirklich in die eigene Ausbildung zu investieren. Monate- und jahrelang abends ackern, statt
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zu schauen? Noch Bücher wälzen, wenn man auch mit den Kumpels einen trinken gehen könnte? Nicht mit ihnen! Es wird nicht investiert. Sondern konsumiert. Für einen, der nicht abwarten kann, sind vorausschauendes Planen und Vorsorge Fremdwörter. Diese Ungeduld bewirkt aber nicht nur, dass sich die Betroffenen alles andere als vernünftig in die Zukunft entwickeln können, sie macht diese Zukunft auch kaputt.
    Wer nicht warten kann, zieht am Gras, damit es schneller wächst. So jemand schafft es nicht, dem Pflänzchen die Zeit zuzugestehen, die es braucht, um einfach zu wachsen. Damit macht er heute das unmöglich, was in der Zukunft hätte stattfinden können. Was er nicht auf dem Schirm hat: Zwischen Entscheidung und Wirkung gibt es noch eine Zeitspanne. Eine Zeitspanne der Entwicklungen. Das ist der Unterschied zwischen enger Ballführung und einem weiten Pass über das gesamte Spielfeld. Mit dem einen hast du die perfekte Ballkontrolle, bleibst aber im Klein-Klein stecken. Mit dem anderen kannst du elegant weite Räume erschließen.
    Wenn du Entscheidungen treffen willst, die über Sofakissen-Niveau hinausgehen, musst du abwarten können. Du musst bereit sein, die Dinge auch mal laufen zu lassen. Du musst es aushalten, nicht zu wissen, wie sich deine Entscheidung am Ende auswirken wird.
    Wenn du heute entscheidest, deinen Sohn auf eine teure Privatschule zu schicken, dann dauert es seine Zeit, bis ihr beide wisst, ob es eine gute Entscheidung war. Meldest du ihn gleich nach drei Tagen wieder ab, weil er von einem Lehrer unfair behandelt wurde, wird er nie zeigen können, dass er mit unangenehmen Situationen zurechtkommt. Und dass er sich durchsetzen und Freunde finden kann. Ob sich deine Investition in die Bildung deines Sohnes finanziell gelohnt hat, wird sich sogar erst in zehn Jahren zeigen. Dann, wenn dein Sohn auf eigenen Füßen steht und – hoffentlich – von seiner guten Ausbildung profitiert.
    Genauso läuft es, wenn du dich selbstständig machst. Dann liegt meistens eine lange Durststrecke vor dir, bis du dir in deiner Branche einen Namen gemacht hast und nachts ruhig schlafen kannst. Und wenn du dich heute von deinem langjährigen Partner trennst, bist du morgen noch lange kein cooler Single.
    Auch in der Wirtschaft gilt das. Hier ist den Akteuren natürlich längst klar: Ohne Investition läuft gar nichts. Trotzdem behält regelmäßig die Ungeduld der Entscheidungsträger die Oberhand. Jedes Projekt, das keine Zeit für Entwicklungen vorsieht, sondern im Hauruck-Verfahren durchgezogen werden soll, ist praktisch schon zum Scheitern
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