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Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen

Titel: Hudson River - die Kunst, schwere Entscheidungen zu treffen
Autoren: GABAL Verlag
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diese Verantwortung übernehmen wollen. Wo es keine Fehler geben darf, gibt es auch keinen erfolgreichen Umgang mit Fehlern. Die Folge: Es wird vertuscht, verheimlicht, schöngeredet, dass sich die Balken biegen.
    Ich habe noch kein Unternehmen gehört, das zugibt: »Wir haben riesige Probleme mit der Einführung unseres neuen Modells.« Wenn etwas schiefgelaufen ist, suchen immer noch viele Vorgesetzte nach einem Schuldigen, den sie in die Wüste schicken können. Sie nennen es nur anders: Ursachenforschung. Oder Problemanalyse. Sie spielen Feuerwehr, verhindern aber keine Brände. Ganz nach der Devise:
    1. Schritt: Switch on the Guilt-Finder-Radar
.
    2. Schritt: Find a guilty person – make 100 % sure it’s not you
.
    3. Schritt: Fire the guilty person
.
    4. Schritt: Hire a new guilty person
.
    Toyota fährt offensichtlich die entgegengesetzte Strategie. Das Unternehmen macht jedes noch so kleine Problem öffentlich und nimmt in Kauf, dass die Zahl der Rückrufe bei Toyota vergleichsweise hoch ist. Das tut weh. 2010 zum Beispiel rief Toyota weltweit mehr als acht Millionen Autos wegen klemmender Gaspedale und rutschender Fußmatten in die Werkstätten. Der Vorwurf, dass sich durchgetretene Gaspedale festhängten, wurde allerdings bald widerlegt: Es hatte sich ausnahmslos um Fahrerfehler gehandelt. Meist hatten die Fahrer nur das Gas- mit dem Bremspedal verwechselt. Nur in einem einzigen Fall hatte eine verklemmte Fußmatte zu einem schweren Unfall geführt.
    Toyota hat verstanden, dass man mit Fehlern erfolgreich umgehen kann. Mit seiner unnachgiebigen Art der Fehlerbehandlung lässt das Unternehmen seine Kunden wissen: »Scheint die Sicherheit unserer Kunden gefährdet, führen wir kompromisslos Qualitätssicherungsmaßnahmen durch.« Die Botschaft ist: »Gerade
weil
wir acht Millionen Autos wegen eines einzigen Falles zurückgerufen haben, sind wir die sichersten Autobauer der Welt.«
Haarrisse
    Auch in der Fliegerei kann man es sich nicht leisten, über gemachte Fehler hinwegzusehen. Wenn zum Beispiel ein Flugzeug bei der Landung extrem hart aufsetzt und nur der Hauch der Vermutung besteht, es könnte etwas beschädigt sein, muss der Pilot dies seiner Airline und der Luftfahrtbehörde melden. Schon wegen des lästigen Papierkrams hat kein einziger Pilot Lust dazu. Die Versuchung, so zu tun, als ob alles im grünen Bereich abgelaufen wäre, ist groß. Trotzdem drückt sich kein verantwortungsbewusster Pilot jemals darum, die Formulare auszufüllen. Warum? Mogeln wäre tödlich.
    Beim nächsten kleinen Zwischenfall wird es zerbrechen.
    Jede harte Landung hat Folgen für das Flugzeug. Die auftretenden Kräfte zerren an den Verbindungen und können dabei im Material feinste Haarrisse verursachen. Das ist wie bei einem Glas, das du versehentlich umstößt. Glück gehabt! Heil geblieben. Wenn du das Glas aber in einem Polariskop prüfst, würdest du merken, dass sein Spannungsbild Unregelmäßigkeiten aufweist. Das Glas ist verspannt. Beim nächsten kleinen Zwischenfall wird es zerbrechen.
    Jeder Start, jede Landung zwingt dem Material eines Flugzeugs ungeheure Kräfte auf. Es zieht und zerrt an Rumpf und Flügeln. Die Tanks in Rumpf und Flügeln fassen zum Beispiel beim Airbus 380 bis zu 320 000 Liter. Voll betankt biegen sich seine Flügel unter der Last bis zu vier Meter durch. Und die Flügel sind nicht aus Gummi! Sondern es ist Metall, das umso schneller ermüdet, je mehr es Belastungen ausgesetzt wird. Deshalb ist für jeden Flugzeugtyp, für jedes einzelne Bauteil eines Flugzeugs genau festgelegt, wann diese zu warten oder gegebenenfalls auszutauschen sind.
    Für den C-Check kommt ein Flugzeug zum Beispiel alle 15 bis 18 Monate in den Hangar. Die Maschine wird teilweise auseinandergenommen. Nur so kommen die Ingenieure und Techniker auch an sonst nicht zugängliche Stellen. So ein C-Check ist schon allein deshalb sehr teuer, weil er ein bis zwei Wochen dauert. Das bedeutet nicht nur hohe Arbeitskosten, sondern auch Ausfallzeit, in der das Flugzeug keinen Gewinn einbringt.
    Mit jeder harten Landung verkürzt sich dieses Wartungsintervall. In ganz harten Fällen muss das Flugzeug sogar gleich in die Werft. Deshalb ist jede missglückte Landung immens teuer. Aber nur wenn diese Fehler in die Berechnung des nächsten fälligen Sicherheits-Checks eingerechnet werden, ist die lebensnotwendige Sicherheit des Flugzeugs gewährleistet. Und deshalb wird der Pilot, der seine Maschine unsauber aufgesetzt hat, den Vorfall
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