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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Autoren: Evelyn Sanders
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Viertelstunde benötigte Tinchen, dann hatte sie alles zusammengesucht, was Ulla brauchte, und auch das, was sie nicht unbedingt brauchte. Das Foto mit Tobias und den Kindern, das sie in der Küche auf dem Gewürzregal gefunden hatte, den Reisewecker und das Mini-Radio, ebenfalls ein Küchenutensil. Bücher? Auf Ullas Nachttisch lag keins, also würde sie eins von sich heraussuchen, irgendetwas Leichtes, Heiteres. Oder lieber doch nicht, nach einer Bauchoperation kann Lachen hundsgemein wehtun, hatte ihr Katrin erzählt, deren Jüngster per Kaiserschnitt zur Welt gekommen war.
    Tinchen packte die Sachen in Ullas große Sporttasche und stellte sie zur Seite. Dann holte sie aus den Kinderzimmern Wäsche und ein paar Kleidungsstücke, vor allen Dingen Schuhe, stopfte in Ermangelung geeigneter Behältnisse alles in drei große Plastiktüten und verließ, bepackt und mühsam schlurfend wie eine jener Nichtseßhaften aus der Bahnhofsgegend, das Haus.
    Während der Rückfahrt überlegte sie die nächsten Schritte. Da waren zunächst mal die Kinder. Normalerweise gingen sie ja morgens und meistens auch nachmittags in den Kindergarten, allerdings hier oben in Grafenberg, eine halbe Weltreise von Oberkassel entfernt und folglich indiskutabel. Vielleicht war es möglich, die beiden als Gäste in jenem ›Kindi‹ unterzubringen, den schon Tobias und Julia besucht hatten und in dem immer noch Fräulein Hildegard, inzwischen längst ›Frau‹ genannt und trotzdem nicht verheiratet, die Leitung hatte. Tinchen begegnete ihr hin und wieder, meistens im Supermarkt, aber wenn sie sie einfach mal aufsuchen und fragen würde? Schließlich war das ein echter Notfall und auch nur für ein paar Tage, oder wie lange dauerte die Genesung nach einer Blinddarmoperation?
    Zu Hause fand Tinchen bereits ein kleines Chaos vor. Florian bemühte sich mit wenig Erfolg, den übergekochten Kakao vom Herd zu schrubben, während Tanja auf dem Küchentisch saß, ein Glas auf den Knien, aus dem sie mit drei Fingern gleichzeitig Nutella in ihren Mund schaufelte und ihn manchmal sogar traf. Sie sah aus wie ein Indianer auf dem Kriegspfad. Von oben brüllte Tim nach seinen kurzen Hosen, und unten im Flur saß Tobias neben dem Telefon und legte gerade den Hörer auf. »Sie ist immer noch im OP.«
    »Das ist sie schon vor fünfzehneinhalb Minuten gewesen und vor sieben, und wenn du die Stationsschwester weiterhin nervst, geht sie gar nicht mehr ran«, schimpfte Florian. »Nimm deiner Tochter lieber mal diese Schokoladenpampe weg, sonst kotzt sie uns noch die Küche voll!« Und dann, zwanzig Phon stärker: »Ruhe da oben! Ich weiß nicht, wo deine Hosen sind, du mußt warten, bis die Omi zurück ist.«
    »Mir is aber so heiß!«
    »Dann nimm 'ne kalte Dusche!« Resigniert warf Florian den Schwamm hin. »Ich weiß nicht, wie Tine das macht, ich kriege dieses eingebrannte Zeug einfach nicht runter!«
    »Du mußt Wasser auf den Herd gießen, ein paar Tropfen von dem Spülzeug dazu und alles erst mal weichen lassen«, empfahl Tobias, »so macht das Oma immer.«
    Sekunden später schwamm die Küche. Frau Antonies Herd hatte nämlich noch vier normale Kochplatten und kein ebenes Ceranfeld ohne Rand. Zu allem Überfluß rutschte Tanja das Glas aus den klebrigen Händen, ging zu Bruch, und sein Inhalt mischte sich mit der braunen Brühe, die noch immer vom Herd tropfte.
    »Aufwischen allein genügt nicht, Flori, du mußt auch mal das Wasser wechseln!« war alles, was Tinchen herausbrachte, als sie ihre Küche sah. Vor anderthalb Stunden war sie noch sauber gewesen. Blitzsauber sogar, denn gestern hatte sich Frau Klötzer endlich mal wieder die Schränke vorgenommen.
    »Oma, weißt du, wo meine Fußballhosen sind?«
    »In der Wäsche!« sagte Tinchen, ihre Tüten abstellend.
    »Nich valeicht schon trocken?«
    »Nein, noch nicht mal in der Maschine!«
    Das hätte sie lieber nicht sagen sollen. Es dauerte nicht lange, dann tauchte Tim auf, hatte statt seiner Jeans eine vor Schmutz starrende kurze Hose an und dazu lehmverkrustete Gummistiefel. Strahlend marschierte er in die Küche und quer durch die Wasserpfützen, die Florian noch immer nicht trockengelegt hatte. »Mach, daß du rauskommst!«
    Gehorsam drehte Tim ab. Hatte sich der angetrocknete Lehm von den Schuhen bisher nur in Form kleiner Sandhäufchen verteilt, so zog sich nun eine breite Spur von klebrigem Matsch durch den Flur.
    »Ich geh spielen!« verkündete der Knabe, öffnete die Haustür und lief genau
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