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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Autoren: Evelyn Sanders
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Seifenblasendosen, fünf Sorten Eis und zwei Kartons ›Sonstiges‹ zu Tinchen gekarrt, nachmittags die sechs aufgeregten und nicht gerade schüchternen kleinen Gäste angeliefert, und dann konnte sie sehen, wie sie mit diesem Kindergarten fertig wurde. Dank Björn und des zu Hilfe gerufenen Thorsten, die bereitwillig die Aufsicht übernahmen und vom Topfschlagen bis zum Eierlauf alles selber mitmachten, gab es diesmal weder Streit noch Heulerei und erst recht nicht den schon manchmal geäußerten Wunsch eines kleinen Gastes, er habe jetzt die Nase voll und wolle zu seiner Mama. Eher war das Gegenteil der Fall. Denn als die beiden Jungs als Höhepunkt des Tages das Kasperltheater aufstellten und vor den jubelnden Kindern eine Vorstellung improvisierten, baute sich hinterher so ein kleiner Dreikäsehoch vor Tinchen auf und meinte treuherzig: »Kann ich morgen wiederkommen?«
    Doch, Tinchen war rundherum zufrieden. Die hellblaue Hose paßte wieder, die unterschwellige Spannung zwischen Frau Antonie und ihrer Untermieterin schien beigelegt, seitdem Frau Klaasen-Knittelbeek mit Herrn Voss zwar einen lebhaften Briefwechsel pflegte, doch offenbar keinen Wert auf ein erneutes Wiedersehen legte, und von Julia kamen regelmäßig begeisterte Schilderungen von ihrem Leben in Kanada. Nach ihrer glänzenden Abschlußprüfung in Internationalem Handelsrecht (oder so ähnlich, genau war Tinchen bis heute nicht dahintergekommen, was ihre Tochter eigentlich studiert hatte) hatte Julia zwischen drei Angeboten wählen können und sich für eine deutsch-kanadische Import-Export-Firma mit Sitz in Toronto entschieden.
    Erfreulich war auch die Tatsache, daß die zwei Aspiranten für eine Ehrenrunde in Klasse 9 nicht mehr versetzungsgefährdet waren, sondern sich nach Aussage von Herrn Dr. Hembach »zunehmend dem Wissensstand des Klassendurchschnitts nähern«.
    »Bloß zwei Vierer und nur eine Vier minus?« hatte sich Florian gewundert, nachdem ihm Björn die Hefte mit den letzten Klausuren gezeigt hatte.
    »Prima, nicht wahr? Ich erreiche allmählich das Niveau der Lehrer!«
    Jedenfalls schmiedete Tinchen insgeheim schon Reisepläne für die Sommerferien. Everts besaßen ein kleines Ferienhaus in der Toskana, das sie der Familie Bender gerne zur Verfügung stellen würden, selbstverständlich kostenlos, schließlich wohne Thorsten inzwischen schon mehr in Oberkassel als zu Hause, und überhaupt täten sie ihnen sogar einen Gefallen, denn ab und zu sollte sich mal jemand in dem Häuschen sehen lassen. Sie selbst kämen in diesem Sommer nicht dazu, die Reise nach Australien und so weiter, und mehr als vier Wochen Urlaub wären zeitlich einfach nicht drin.
    »Toskana?« sagte Björn nicht gerade begeistert. »Ist das nicht diese Dürrezone in Italien?«
    »Von wegen Dürre!« protestierte Tinchen, die selber auch nur mal durchgefahren war, »da wachsen Oliven und Tabakstauden und Weintrauben …«
    »Ich bin Nichtraucher, Oliven schmecken mir nicht und Wein in Form von Pillen? Nee, danke. Also, was soll ich in der Toskana?«
    »Du mußt ja nicht!« erwiderte sie pikiert, »flieg doch nach Brunei. Deine Eltern freuen sich bestimmt, wenn sie dich mal wiedersehen!«
    »Bloß nicht!« Hastig umarmte Björn seine Tante, denn verärgern wollte er sie auf keinen Fall. Gerade jetzt nicht. Sein Plan für die Ferien stand nämlich längst fest, er wußte nur noch nicht, wie er ihn Tinchen und vor allen Dingen seinem Onkel schmackhaft machen sollte. Eine Radtour wollte er unternehmen, gemeinsam mit Thorsten natürlich, erst mit dem Zug bis Flensburg und dann rauf nach Dänemark. Die Frage war nur, ob man ihnen das gestatten würde. Die zu erwartenden Gegenargumente hatten Thorsten und er schon aufgelistet und die passenden Antworten auswendig gelernt, ihre Wirksamkeit allerdings noch nicht erprobt.
    »Langsam müssen wir sie anbohren«, hatte Thorsten erst vorgestern gesagt, »sonst verplanen die uns wirklich und können nicht mehr zurück, weil sie das zweite Zimmer gebucht oder sogar schon was angezahlt haben.«
    »Eigentlich verstehe ich dich nicht«, hatte Björn geantwortet. »Warum fliegst du nicht mit nach Australien? Da möchte doch jeder mal hin, der sonst am entgegengesetzten Ende der Welt lebt.«
    Doch Thorsten hatte nur abgewinkt. »Frank ist elf Jahre älter als ich, den habe ich immer mehr als Onkel angesehen und weniger als Bruder, außerdem gilt er innerhalb der Sippe ein bißchen als schwarzes Schaf, weil er nicht Jura studiert hat,
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