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Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Hotel Mama vorübergehend geschlossen

Titel: Hotel Mama vorübergehend geschlossen
Autoren: Evelyn Sanders
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nicht vorher überlegt, Tim?«
    »Da war'n sie doch naß, und was naß ist, kann ja gar nicht brennen«, erklärte Tim sofort. »Wie nämlich der Opa neulich die Blätter im Garten verbrennen wollte, da kam bloß furchtbar eine Menge Rauch, und dann hat er geschimpft und gesagt, die sind viel zu naß.«
    »Und du hättest jetzt furchtbar eine Menge Dresche verdient«, murmelte Tinchen, »und wenn du dein Vater wärst, dann hättest du sie auch gekriegt.«
    »Unverdient!« protestierte Florian. »Tims Begründung, was naß ist, kann nicht brennen, beruht auf seiner zugegebenermaßen noch geringen Erfahrung und klingt für ihn völlig logisch.«
    »Ich will dir mal was sagen, du logischer Großvater: Ein halbwegs intelligenter Fünfdreivierteljähriger, der im Herbst in die Schule kommt, sollte wissen, daß man keine Kleidungsstücke in einen Toaster stopft. Das nächste Mal versucht er es mit seinen Schuhen.«
    »Quatsch!« sagte der potentielle Brandstifter. »Die gehen da ja gar nicht rein, die stelle ich immer vor den alten Heizofen, der im Keller steht, bloß der Opa soll da mal eine neue Schnur ranmachen, die andere ist schon so ausgefusselt«
    Und dann knallte es doch. Eine reine Reflexbewegung war es gewesen, und hinterher tat sie Tinchen sofort wieder leid, doch die Vorstellung, was alles hätte geschehen können, wenn Tim dieses uralte Elektro-Öfchen eingeschaltet hätte, hatte ihre Hand ausrutschen lassen. »Entschuldige, Tim, ich wollte dich nicht schlagen, es ist einfach passiert.«
    Ihr Enkel, der sie erst entgeistert angesehen hatte, bevor er tief Luft holte und losbrüllen wollte, hielt abrupt inne. Dann nickte er verständnisvoll. »Kenne ich! Wie ich mit dem Marvin vorhin auf der Straße Eishockey gespielt habe, da isses auch einfach passiert.«
    »Was ist passiert?« fragte Tinchen ahnungsvoll.
    »Na, daß der Flummy ganz verkehrt geflogen ist.«
    »Und wohin?«
    Vorsichtshalber machte Tim ein paar Schritte rückwärts, schließlich konnte man ja nicht wissen, ob die Omi nicht doch … »An dein Auto. Es ist aber bloß die ganz kleine Scheibe an der Seite kaputtgegangen.«
    Erst abends, als die Kinder endlich im Bett lagen und Florian in die Redaktion gefahren war, kam Tinchen zur Ruhe. Die Tagesschau hatte sie natürlich wieder verpaßt, doch das störte sie nicht besonders. Es ging ihr ja auch gar nicht um die Nachrichten, sondern um die Uhrzeit. Früher, als ihre eigenen Kinder im Alter von Tim und Tanja gewesen waren, hatte es noch das Sandmännchen gegeben. Kurz nach sieben Uhr war es mit seiner Laterne auf dem Bildschirm erschienen, und wenn es fünf Minuten später allen Kindern eine gute Nacht gewünscht hatte, waren Tobias und Julia ohne Protest ins Bett gegangen. Wenigstens bis zum Schulalter, mußte Tinchen sich eingestehen, denn dort hatten sie sehr schnell mitgekriegt, daß es nach dem Sandmännchen noch so tolle Sendungen gab wie die mit dem Oberinspektor Wanninger oder Percy Stuart, der immer ganz allein mit den Gangstern fertig wurde. Harmlos waren diese Filmchen gewesen im Gegensatz zu dem, was heutzutage im Vorabendprogramm lief. Tim kannte sie alle, die Bildschirmhelden der Neunziger: Den Fahnder, der dann plötzlich Pfarrer wurde (»Der hat von den Verbrechern sicher die Nase voll gehabt«, hatte Tim vermutet. »Was is'n das eigentlich, das Milljöh?«), den Doktor Brockmann natürlich (»Aber der ist ziemlich langweilig.«), den netten Polizisten vom Großstadtrevier und die alten Frauen vom Campingplatz, die immer so komisch sprachen.
    Nein, Tinchen war absolut nicht damit einverstanden, daß sich ein Fünfjähriger und eine Dreijährige derartige Sendungen ansahen, und bei ihr gab es das auch nicht, da las sie den beiden lieber etwas vor, doch Ulla war der Meinung, heutzutage käme man am Fernsehen einfach nicht vorbei. Schon im Kindergarten würden die Kinder einzelne Sendungen diskutieren, und wer da nicht mitreden könne, würde regelrecht ausgegrenzt.
    »So ein Blödsinn!« hatte Tinchen gesagt, »das meiste kapieren die doch noch gar nicht!«
    »Du hast ja keine Ahnung, was die schon alles kapieren!« hatte ihre Schwiegertochter erwidert, und Tinchen hatte die passende Antwort wieder einmal heruntergeschluckt. Nicht umsonst hatte sie sich am Hochzeitstag ihres Sohnes geschworen, sich niemals in seine Ehe und die Erziehung seiner Kinder einzumischen, und bis jetzt hatte sie sich daran gehalten. Meistens jedenfalls. Denn oft, wenn sie drauf und dran gewesen war, Ulla doch
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