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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht
Autoren: Michelle Reid
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gestellt hatte. Nun wusste er, wie er sein plötzliches Erscheinen begründen konnte.
    „Ist es dir recht, wenn ich eine Tasse Tee mit dir trinke?"
    „Sicher", antwortete sie und warf Andre einen kurzen Blick über die Schulter zu, bevor sie sich wieder dem Herd zuwandte.
    Andre nahm eine zweite Tasse aus dem Schrank und setzte sich an den Tisch.
    „Möchtest du wirklich nichts essen?" fragte Samantha nach, während sie den Tee aufgoss.
    „Wirklich nicht", bestätigte Andre und beobachtete heimlich, wie Samantha den Topf vom Herd nahm und zum Tisch kam.
    „Der Tag endet, wie er begonnen hat - mit einem Frühstück", sagte er lachend, als Samantha ihm gegenüber Platz genommen hatte und nach dem Honigglas griff.
    „In der Zwischenzeit ist allerdings einiges passiert", bemerkte Samantha kühl.
    „Was machen deine Kopfschmerzen?" erkundigte sich Andre mit ziemlicher Verspätung.
    „Wie weggeblasen", teilte sie ihm mit und träufelte Honig über den Porridge.
    Andre lief das Wasser im Mund zusammen, wofür allerdings weniger der süße Honig als vielmehr die ungleich süßere Frau verantwortlich war, die ihm gegenübersaß.
    „In einem Punkt muss ich dir Recht geben", sagte Samantha unvermittelt und führte den Teelöffel zum Mund.
    „Nur in einem?" fragte Andre gespielt enttäuscht. „Dann muss ich irgendetwas falsch gemacht haben." Gebannt verfolgte er,, dass Samantha langsam die Zunge herausstreckte und begann, den restlichen Honig abzulecken, ohne Andre dabei aus den Augen zu lassen.
    Typisch, dachte Andre\ Jedenfalls für die Samantha von früher, musste er einschränken.
    Und da die alles andere als harmlos war, war auch die kleine Geste alles andere als harmlos, sondern eine gezielte Provokation, von der sie genau wusste, dass sie ihre Wirkung nicht verfehlen würde.
    Blieb die Frage, ob sich die Samantha, die ihm jetzt gegenübersaß, dessen bewusst war.
    „Vergebung ist wohl wirklich ein besserer Ratgeber als Hass", erklärte Samantha und ließ erneut die Zunge langsam und genüsslich über den Löffel gleiten.
    „Und was für Schlüsse ziehst du aus deiner Erkenntnis?" fragte Andre, auch wenn seine Gedanken in eine gänzlich andere Richtung drängten.
    „Das musst du schon selbst herausfinden", antwortete Samantha vieldeutig, und als wäre die Angelegenheit für sie damit beendet, zuckte sie kurz die Schultern, legte den Löffel beiseite und begann zu essen.
    Ihr Verhalten war ebenso undurchsichtig wie ihre Bemerkung. Was Andre zum Anlass
    nahm, alle Vorsicht über Bord zu werfen. „Angenommen, der Unfall wäre nicht passiert und du wärst irgendwann freiwillig zu mir zurückgekommen ..."
    „So ganz abwegig ist der Gedanke nicht", warf Samantha lächelnd ein.
    Die Überraschungen wollten kein Ende nehmen. War sie am Ende doch wieder ganz die Alte? Andre musste sich zusammenreißen, um nicht den Faden zu verlieren. „Als ich vorhin in meinem Arbeitszimmer saß, sind mir ernste Zweifel gekommen, ob sich an unserem Leben dann überhaupt etwas geändert hätte. Dein Stolz hätte es dir verboten, mir zu verzeihen, und ich wäre zu stolz gewesen, dich um Verzeihung zu bitten. Notfalls auch auf Knien!"
    „Wärst du denn bereit dazu?"
    Samanthas Frage traf Andre ziemlich unvorbereitet. „Habe ich das denn nicht bewiesen?"
    „Wann soll das gewesen sein?" Ungerührt legte Samantha die Gabel beiseite, um erneut den Teelöffel zur Hand zu nehmen und in das Honigglas zu tauchen. „Ich erinnere mich nicht, dass du mich um Verzeihung gebeten hättest - und schon gar nicht auf Knien."
    Es gibt nur zwei Möglichkeiten, dachte Andre und spürte einen Stich in der
    Lendengegend, als er bemerkte, dass er sich korrigieren musste. Eigentlich gab es nur eine Möglichkeit. Auf den Porridge würde sie den Honig diesmal nicht träufeln. Den hatte sie längst aufgegessen.
    „Wenn du jetzt den Löffel in den Mund nimmst, werde ich dich augenblicklich um
    Verzeihung bitten. Von mir aus auch auf Knien. Allerdings auf meine Art", warnte er Samantha mit heiserer Stimme davor, ihn länger zu provozieren.
    Erst als der Löffel auf halbem Wege zwischen Honigglas und Mund innehielt, wurde sich Andre der Herausforderung bewusst, die in seinen Worten gelegen hatte. Doch nun war es zu spät, etwas davon zurückzunehmen. Samantha hatte die Wahl. Er war jedenfalls bereit, seinen Worten Taten folgen zu lassen.
    Die Spannung war förmlich mit Händen zu greifen. Darauf gefasst, im nächsten Moment aufzuspringen oder eine herbe
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