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Hotel der Sehnsucht

Hotel der Sehnsucht

Titel: Hotel der Sehnsucht
Autoren: Michelle Reid
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Irgendjemand hatte die Beleuchtung eingeschaltet, und der große Raum erstrahlte im Glanz der Kronleuchter.
    „Ich bin davon ausgegangen, dass du ihn nach Australien begleitet hast", meldete sich eine sonore Stimme zu Wort. „Also bin ich euch nachgefahren - mit der Absicht, euch beide umzubringen."
    Ohne Andre anzusehen, hatte Samantha seinen zynischen Gesichtsausdruck vor Augen.
    „Es kam anders, als ich dachte. Nach langem Suchen habe ich Raoul auf einer Schaff arm in der tiefsten Provinz aufgespürt, wo er sich vor mir versteckt hatte. Du ahnst nicht, wie glücklich ich war, als ich erfuhr, dass du nie vorhattest, mit ihm zusammen wegzugehen.
    Gleichzeitig habe ich mich unendlich geschämt, weil ich so ungerecht zu dir gewesen war.
    Und anstatt Raoul umzubringen, bin ich auf die Knie gefallen und habe den Tränen freien Lauf gelassen."
    Die Erinnerung schien ihn mitzunehmen, denn er musste einige Male schlucken, bevor er fortfahren konnte. „So komisch es klingt, aber vom selben Moment an war Raoul ein anderer Mensch. Es war, als wäre er von einer Sekunde auf die andere erwachsen
    geworden. Ohne seine Rolle auch nur im Geringsten zu beschönigen, hat er mir berichtet, was in jener Nacht wirklich vorgefallen ist."
    Australien. Langsam begann Samantha zu dämmern, was es damit auf sich hatte. Stefan Reece hatte doch erzählt, dass er Andre vor genau einem Jahr in Sydney getroffen hatte!
    „Dann wärst du also in Australien, als der Unfall passierte!"
    „Genau." Andres Stimme kam näher. „Zwei Monate. So lange habe ich gebraucht, um Raoul zu finden. Und genau dreißig Sekunden, um zu begreifen, was für ein Hornochse ich gewesen war. Denn als ich nach London zurückkam, waren längst alle Spuren verwischt, die mich zu dir hätten führen können. An die quälenden Monate danach möchte ich lieber nicht denken. Insgeheim hatte ich die Hoffnung, dass du dich eines Tages bei mir melden würdest, aber ich muss zugeben, dass ich dich manchmal auch verflucht habe."
    Erneut unterbrach er sich, und noch immer hatte Samantha ihm den Rücken zugewandt.
    „Eines Tages rief mich Nathan Payne in New York an, weil er den Artikel über dich in der Zeitung gelesen hatte. Den Rest kennst du."
    „Und was ist aus Raoul geworden?" fragte Samantha.
    „Am Morgen nach unserer Aussprache war er spurlos verschwunden. Erst viel später hat er mir aus Australien geschrieben, um mir mitzuteilen, dass er erst dann wieder
    zurückkommt, wenn er mit sich selbst im Reinen ist. Von Zeit zu Zeit meldet er sich bei mir, aber noch scheint er sich sein Verhalten von damals nicht verziehen zu haben."
    „Anders als du, nicht wahr?"
    „Ja, ich habe ihm vergeben", gab Andre zu, „und ich würde mir wünschen, dass auch du eines Tages fähig bist, ihm zu verzeihen. Und mir nach Möglichkeit auch", fügte er leise hinzu, und Samantha spürte seinen Atem auf ihrem Nacken.
    „Fass mich nicht an", platzte sie unvermittelt heraus. Die leiseste Berührung würde sie um den Verstand bringen, und den brauchte sie im Moment ganz besonders dringend.
    „Das habe ich auch nicht vor", lautete Andres ehrliche Antwort. Er wusste schließlich selbst, was es in ihr auslösen würde. Und nichts lag ihm ferner, als Samantha mehr als unbedingt nötig zu beunruhigen.
    Sie war auch so schon verwirrt genug, denn für sie stellte sich das Ganze umgekehrt dar.
    Mittlerweile war sie durchaus bereit, Andre das einen oder andere zu verzeihen - wenn auch längst nicht alles. Doch Raoul? Nach allem, was sie erfahren hatte, empfand sie durchaus Mitleid mit ihm. Aber ihm vergeben? Um seine eigene Haut zu retten, hatte er ihre Ehe zerstört. Und das war und blieb unverzeihlich.
    „Du weißt, warum er mir die Papiere zugespielt hat, nicht wahr?" fragte sie, um die Antwort gleich mitzuliefern. „Um uns auseinander zu bringen."
    „Ich weiß", bestätigte Andre\ ohne den Versuch zu unternehmen, das Verhalten seines Bruders zu rechtfertigen.
    Plötzlich spürte Samantha, dass eine namenlose Erschöpfung sie ergriff. Kraftlos ließ sie die Schultern sinken und schien unter der Last zusammenzubrechen. Zu allem Überfluss bekam sie rasende Kopfschmerzen.
    „Ich glaube, es reicht für heute." Andre war ihr Zustand nicht entgangen. „Lass uns nach Hause fahren."
    Nach Hause, wiederholte Samantha stimmlos, doch um zu widersprechen, fühlte sie sich zu schwach. Unsicher ging sie auf den Ausgang zu. Andre1 folgte ihr in gebührendem Abstand. Er schien sich fest vorgenommen zu
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